0327 - Wer die Blutfrau lockt
und das Ufer ist das Ende der Ewigkeit. Laß sie hinter dir, die Welt der Lebenden mit ihrem grellen Licht und folge mir in die grauen Schatten jenes Lebens zwischen Tod und Wirklichkeit!«
»Laß mich, Marenia!« krächzte Marc Corner verzweifelt.
»In Ewigkeit lasse ich nicht von dir!« flüsterten Marenias Lippen, hinter denen spitze, weiße Zähne glimmerten.
»Ich liebe dich nicht!«
»Du liebst mich nicht in der Art der Menschen. Aber die Liebe, welche die Kinder der Nacht verbindet, ist zwischen uns.«
»Jennifer! Hilf mir… Jennifer!« keuchte Marc Corner und versuchte, sich das Bild der Geliebten vorzustellen. Doch in seiner Vorstellungskraft verschwand Jennifers Bild in weißem, fließenden Nebel. Es wurde entrückt und wich von ihm. Nur Marenia war da. Und ihre Augen, in denen Lockung und Zwang lag.
»Bitte, Marenia!« flüsterte Marc. »Bitte, laß mich gehen. Ich will nicht… !«
»Zu spät, Marc!« Marenia sagte es leise und doch schien etwas Weiches und Mildes in ihrer Stimme zu liegen, das vorher nicht da war.
»Du bist ein Vampir!« stellte Marc Corner fest. »Du hast mich in deinem Zauberbann und läßt mich nicht los!«
»Das ist wahr!« nickte Marenia. »Du bist trotz meiner Warnung zu mir gekommen und hast meine Liebe genommen. Damit hast du mir ein Anrecht gegeben. Nun nehme ich mir, was ich will!«
»Aber ich will nicht sterben!« keuchte Marc. »Ich fürchte mich vor der Dunkelheit und dem ewigen Nichts!«
»Du fürchtest dich vor dem Unbekannten. Aber ich sage dir, daß keine Furcht in dein Herz fließen muß. Der Tod ist nur ein Übergang in ein anderes Bewußtsein. Ihr Menschen fürchtet euch, hinter den dunklen Vorhang zu sehen, weil ihr nichts begreifen wollt, was ihr mit eurer eigenen, menschlichen Logik nicht begreifen wollt!«
»Aber du bist das Böse!« krächzte Marc Corner. »Du bist ein Blutbiest, das heimtückisch in den Nächten umherstreift und Opfer sucht!«
»Ich bin eine Jägerin der Nacht!« nickte Marenia. »Ich brauche Blut, um mein Leben führen zu können. Ist der Leopard schuldig, der in der Dämmerung listig seinen gefleckten Körper mit den Blättern der Bäume verwebt, um im geeigneten Moment zuzuschlagen, wo sich die Gazelle in Sicherheit wiegt? Und das Chamäleon nimmt die Farbe seiner Umgebung an, damit die Insekten seine Nähe nicht bemerken. Aber der Leopard und das Chamäleon werden nicht als tückisch oder gemein bezeichnet - es ist die List, die sich mit der Gabe paart, die ihnen die Natur gegeben hat. Sie töten, um zu überleben. Ich tue es nicht anders. Ich gehe überall hin und die Männer, denen ich zulächele, folgen mir willig. Wer einem Leoparden folgt, weil ihn die Raubkatze fasziniert oder weil er ihr Fell will, geht das Risiko ein, daß der Leopard sich seiner bemächtigt.«
»Gib es keine Rettung?« fragte Marc Corner brüchig.
»Doch, es hätte sie gegeben.« Marenias Stimme klang traurig. »Die wahre Liebe zu einer Frau - das wäre die Rettung. Doch wahre Liebe schließt das Verlangen aus, den Körper einer anderen Frau zu besitzen!«
»Was gibt dir das Recht, mich festzuhalten?« Marc Corner spürte eine Schlinge, aus der er sich nicht befreien konnte.
»Es gibt Gesetze zwischen der Welt der Menschen und der Schattenwelt, die niemals niedergeschrieben wurden und die doch eingehalten werden. Die Weisen reden vom ›Alten Pakt‹, der für die Hölle wie für das Licht jenseits der Sphären gleichermaßen verbindlich ist. Denn dem Ewigen Versucher, dem Teufel, sind enge Grenzen gezogen. Aber die nutzt er vollständig aus. Ich habe dich gewarnt, bevor du eingetreten bist. Hättest du gezögert oder wärst umgekehrt, dann wären alle Künste vergeblich gewesen. Doch du bist zu mir gekommen und hast mich genommen als eine Geliebte. Deshalb bist du ohne Rettung - denn aus Liebe zu deiner Jennifer wärst du sonst zurückgewichen, als auch für einen dummen Menschen klar war, daß es nicht um Fotoalben oder eine gemeinsame Tasse Tee ging. Hier war eine Möglichkeit für dich, zu entfliehen durch diesen Teil des Alten Vertrages. Die Verführung mußte eindeutig sein - und als sie eindeutig wurde, hast du sie akzeptiert. Das zweite Recht, dich festzuhalten, ist das Recht des Stärkeren. Wisse, daß die Kraft eines Vampirs der eines normalen Menschen um das Mehrfache übersteigt. Ich bevorzuge den bannenden Blick meiner Augen - aber ich könnte auch anders. Und sei gewiß, daß ich es tun werde, wenn du dich weigerst, dich mir zu
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