0327a - Dynamit und heiße Dollars
Ganze wirkte nüchtern und unbewohnt wie ein Hotelzimmer, das schon drei Monate leer steht.
Das Summen des Apparates machte mich neugierig. Mister High stellte auf Rücklauf und dann auf Wiedergabe. Ein paar Minuten schwieg der Lautsprecher, dann hörten wir den ersten Anruf. Ich hatte mein Notizbuch auf den Knien und notierte mir den Namen des Anrufers, Joe Hoosick.
Verblüfft vernahmen wir die kurz darauf folgenden Anordnungen. Der Kuli flog über das Papier, bis der Anruf zu Ende war. Nach kurzer Pause kam der zweite, der von mir stammte. Wir ließen das Band noch ein Stück weiterlaufen, doch es hatte sich niemand mehr gemeldet.
»Murray Hill«, sagte Mister High, »muss eine Nummer in Mittel-Manhattan sein. Das werden wir feststellen. Aber jetzt erstmal zu dem Lieferwagen. Fahren Sie sofort zur Lodge Street, Jerry, ich schicke Verstärkung.«
Wir sahen uns einen Moment an und hatten denselben Gedanken. Wenn ein geschlossenes Auto so plötzlich verschwinden musste, und die Gang nicht erfuhr, was drin war, konnte es sich nur um ein neues Verbrechen handeln.
»Beeilen Sie sich und fangen Sie den Wagen ab«, sagte Mister High. Er hatte bereits den Telefonhörer in der Hand und rief das FBI-Büro an.
Mit Vollgas, Blaulicht und Sirene fegte ich quer durch Manhattan. Es ging um Sekunden, und ich trat das Gaspedal bis zur Bodenmatte durch. Die Reifen quietschten in jeder Kurve, und der Verkehr stockte, wo ich auch auftauchte. Auf der Mittelbahn des Broadways kam ich am schnellsten vorwärts, erreichte nach einer Höllenfahrt den Madison Square und riss den Wagen in die Kurve. Knapp an einem Omnibus vorbeischoss ich auf die 23. Straße und nahm Kurs auf den Roosevelt Drive.
Jetzt konnte ich den Wagen auf sechzig Meilen bringen und musste erst wieder an den verstopften Auffahrten zur Manhattan Bridge abbremsen. Endlich war auch dieser Engpass geschafft, und ich hatte nur noch ein paar Häuserblocks bis zu den Kais der East Fruit Company. Die Sirene verstummte, und das Blaulicht warf keine zuckenden Blitze mehr. Zum Glück kannte ich diese Ecke einigermaßen, sodass ich direkt Kurs auf Kai 21 halten konnte. Vor dem großen Haupttor stoppte ich den Wagen und ließ ihn bis hinter einen Subwayeingang rollen. Dann überprüfte ich den Sitz der Smith & Wesson und hastete mit langen Schritten zur Einfahrt zurück. Das Tor war verschlossen, doch der Drahtzaun hatte etliche Löcher, durch die ein ausgewachsener Mann bequem hindurchschlüpfen konnte.
Es war inzwischen so dunkel geworden, dass ich nur noch die Umrisse der Gebäude erkennen konnte. Die Straßenlampen reichten nicht bis in diese dunklen Ecken, und die Taschenlampe konnte ich nicht anschalten, da mich der Schein sofort verraten hätte.
Gebückt schlich ich zu dem großen Lagerhaus und drückte mich eng an den abgeblätterten Putz. Von einem Wagen war nichts zu sehen, und die Luft roch nicht im Geringsten nach Abgasen. Entweder kam ich erheblich zu spät oder die Gangster waren noch nicht eingetroffen. Ich tastete mich an der Wand entlang, bis ich zum ersten Fenster kam, dessen Holzläden vorgezogen waren. Mit den Fingern fühlte ich nach einer Ritze und presste mein Auge dagegen, als ich einen zollbreiten Spalt fand. Im Innern war es dunkel wie in einer Tropfsteinhöhle um Mitternacht. Noch wachsamer ging ich weiter, bis ich kurz vor der Ecke war und schon den muffigen Geruch des Brackwassers in der Nase spürte. Mein Fuß glitt auf einer rostigen Kette aus, doch ich presste das klirrende Metall sofort fest, sodass ich das Geräusch erstickte. Dann verharrte ich ganz plötzlich und versuchte, mich noch kleiner zu machen.
Ein paar gedämpfte Worte drangen mir entgegen. Gleich darauf klappte eine Metalltür. Das mussten die Gangster sein, die den Wagen abholen sollten.
Aus dem dumpfen und brodelnden Geräusch des Großstadtverkehrs, der in mein Unterbewusstsein drang, hörte ich deutlich das Geräusch einer Polizeisirene, die noch ziemlich weit entfernt war. Das konnte die Verstärkung sein, die Mister High losgeschickt hatte. Es würde höchstens noch zwei Minuten dauern, bis die Kollegen da waren, und dann ging der Tanz los..
Mit zwei Schritten war ich an der Ecke und steckte den Kopf etwas vor. Da sich meine Augen inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte ich die Umrisse eines kleinen Transporters, dessen Kühlerschnauze genau in meine Richtung zeigte. Die linke Tür war noch offen, und eine dunkle Gestalt kletterte gerade hinein. Jeden
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