0334 - Grauen in den Katakomben
einen Teil der Wand, die nicht gelb gefliest war, sondern graues Mauerwerk zeigte, durch das dunkle Streifen der Feuchtigkeit liefen.
»Hier hat sich mal ein Zugang befunden.«
»Haben Sie ihn zugemauert?« fragte ich.
»Nein, das waren andere. Es geschah im Zuge der Ausbesserungsarbeiten. Schade.«
Wir gingen weiter. Wenig später erreichten wir eine unterirdische Kreuzung, wo wir abermals stoppten.
»Ihr könnt es euch aussuchen«, sagte Alain. »Gehen wir nach rechts, links oder geradeaus weiter?«
»Und wo befindet oder befand sich euer Versteck?«
»Da müssen wir nach rechts.« Alain ging schon vor. Dieser Tunnel war schmaler und auch nicht beleuchtet. Neben uns rauschte das Wasser. Ich verzog mehr als einmal das Gesicht. Es war wirklich kein Vergnügen, dort hineinzufallen, das hatte ich bereits am eigenen Leibe zu spüren bekommen.
Ein erbärmlicher Gestank wehte uns entgegen. Er raubte uns die Luft.
Der einzige Hoffnungsschimmer war der Lichtschein am Ende des uralten Querkanals.
Auch Alain hatte den Schein gesehen und gab seinen entsprechenden Kommentar ab. »Dort befindet sich wieder eine der Hauptstrecken. Und nicht weit entfernt haben wir unseren Hauptunterschlupf oder Gefechtsstand gehabt. Es gibt da eine alte Treppe.«
»Die wohl heute noch existiert«, meinte Meurisse.
»Weiß ich nicht.«
»Kommen wir von diesem Hauptkanal dorthin?« erkundigte sich der Inspektor.
Alain drehte den Kopf. »Nein, das wäre damals zu gefährlich gewesen. Ein Stück müssen wir den Hauptgang schon gehen, dann können wir abbiegen und, na ja, das werdet ihr ja alles sehen.«
Mir gefiel der Mann immer besser. Obwohl wir nicht gerade vor einer leichten Aufgabe standen, nahm er den Job mit einer Ruhe und Gelassenheit hin, die schon als außergewöhnlich zu bezeichnen war.
Er stellte keine Fragen, zeigte auch äußerlich keine Angst und atmete wie wir alle auf, als wir den Gang verlassen hatten.
Jetzt befanden wir uns in einem weiteren Hauptkanal. In der Breite war er mit dem des ersten zu vergleichen, auch hier konnten wir bequemer über einen Steg laufen als noch vor wenigen Sekunden.
Der Geruch war ebenfalls abgeflaut. Wir folgten Alains Zeichen und wandten uns nach links.
»Gleich werden wir an eine Tür kommen«, sagte er. »Sie bildete mit dem in der Kanalmitte praktisch ein Gitter.«
»Ist sie verschlossen?«
»Leider.«
»Ich habe die entsprechenden Schlüssel«, sagte Meurisse.
Alain grinste. »Das wußte ich doch, du alter Fuchs.«
In der Tat erreichten wir die Tür. Schon zuvor hatten wir das Rauschen vernommen, als das Wasser durch das sich in der Mitte des Kanals befindliche Sperrgitter schoß und einen eigenen kleinen Wasserfall bildete. Meurisse schob sich an Alain vorbei, schaute im Licht der Lampe nach dem Schloß und winkte ab.
Sehr schnell hatte er es offen.
Wir ließen das Hindernis hinter uns und setzten den Weg fort.
Fast eine Stunde befanden wir uns bereits in dieser Unterwelt, und Alain machte uns Hoffnung.
»Es dauert nur mehr Minuten, dann haben wir es hinter uns.«
Bisher war weder etwas von den Riesenratten noch von Pierre zu sehen gewesen. Wir sahen auch weiterhin nichts, dafür hörten wir etwas. Es war Suko, der es trotz des Wasserrauschens zuerst vernommen hatte.
»Bleibt doch mal stehen!« sagte er.
Wir stoppten.
»Da waren Schreie!« flüsterte der Inspektor scharf.
Unsere Ohren stellten wir auf Lauschposition und vernahmen jetzt auch die dünn klingenden Rufe.
Klar, daß unser erster Gedanke den Ratten galt, und plötzlich hatten wir es alle vier sehr eilig…
***
Claudine Auber hatte das Schild Fermé vor die Tür des Ladens gehängt. Das Geschäft war geschlossen. Und wenn heute noch ein Millionär vorhatte, bei ihr einzukaufen, egal, sie wollte nicht, zuviel war passiert. Außerdem paßten ihr die Fragen der Nachbarn nicht, aber die Leute hatte sie zum Glück zurückhalten können.
Allein stand sie im Laden. Ihre Blicke glitten über das angerichtete Chaos. Sie merkte nicht einmal, daß Tränen aus ihren Augen quollen und an den Wangen entlang liefen.
Wie sollte sie hier jemals wieder Ordnung hineinbekommen?
Auch wenn es für den Außenstehenden so ausgesehen hatte, als wäre der Laden eine Rumpelkammer gewesen, stimmte das nicht.
Es hatte schon eine Ordnung gegeben, aber es war ihre Ordnung gewesen, und sie allein hatte sich darin zurechtgefunden.
Andere brauchten das nicht.
Sie hatte versucht, aufzuräumen. Mal hier ein Teil hingestellt, dort
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