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0364 - Mongolenfluch

0364 - Mongolenfluch

Titel: 0364 - Mongolenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Ling suchte im Umkreis von tausend Kilometern, aber da war nichts. Nur die Ölförderanlagen und die Pipeline war detailliert eingezeichnet.
    Auch zur mongolischen Grenze hin gab es nichts…
    Und doch gab es diese Stadt.
    Woher weiß ich von ihr? fragte sie sich. Und warum weiß ich es erst, seit ich chinesischen Boden betreten habe?
    Sie fand darauf keine Antwort.
    Bin ich auf dem Weg in diese Stadt? Was will ich dort? Was zieht mich dorthin? Und wie soll ich sie finden, wenn sie in keiner Karte eingezeichnet ist?
    Fragen, auf die es - noch - keine Antwort gab.
    Die Bahn rumpelte ihrem Ziel entgegen, langsam und unaufhaltsam.
    Fast zu langsam.
    ***
    Wang Lee Chan hatte sich im Schatten eines Baumes ausgestreckt und versuchte seine Erinnerungen zurückzudrängen, die in ihm aufsteigen wollten.
    Erschreckende Erinnerungen.
    Für ihn lag es noch gar nicht lange zurück.
    Er war Provinzfürst gewesen. Hier, in diesem Bereich der südlichen Mongolei. Er hatte gesehen, wie die Seßhaften ihre Städte bauten. Und er hatte gehofft, seinen Stamm ebenfalls seßhaft machen zu können.
    Er wußte selbst nicht, warum ihm dieser Gedanke gekommen war. Immerhin gehörte auch sein Stamm zu den Nomaden. Sicher, sie veweilten länger an einem Ort als andere, aber sich endgültig irgendwo niederzulassen und eine Stadt zu bauen, war ungewöhnlich. Er hatte seine Leute lange überreden und ihnen die Vorteile klarmachen müssen.
    Aber dann hatten sie die Stadt gebaut. Aus Steinen und Holz, wie Wang es ihnen zeigte. Es war eine kleine Stadt gewesen, nicht reich, aber sie alle hofften, eines Tages reich zu werden. Eine Karawanenstraße führte hier entlang.
    Wang träumte von Macht.
    Es gab räuberische Horden, die die Steppe durchstreiften. Die Karawanen gegen einen Tribut vor den Räubern zu schützen, war Wangs Idee. Dazu brauchte er die Stadt mit ihren Befestigungen als Ausgangspunkt, zu dem seine Leute sich immer wieder zurückziehen konnten.
    Die erste Mongolenstadt entstand.
    Später, als Kubilai Chan China eroberte, zogen die Mongolen in feste Städte ein. Aber bis dahin war es ein weiter Weg, an den zu Wangs Zeit noch niemand zu denken wagte. Damals kannte man noch nicht einmal einen gewissen Temudschin, den Großvater des Kubilai.
    Aber sie lernten Temudschin kennen.
    Plötzlich war er da mit seiner Horde. Eine Horde, die eine ganze Armee war. Und Wangs Traum von Macht und Reichtum, ausgehend von der Stadt, wachsend zu einem Land und einem Reich, waren schlagartig ausgeträumt. Denn Temudschin hatte diesen Traum schon vor Wang gehabt, und er ging mit ganz anderen Mitteln daran, diesen Traum zu verwirklichen. Nicht mit Städten! Sondern mit Horden, mit Kriegshorden, die durch das Land zogen und es eroberten, die mörderisch und entschlossen kämpften, um es für ihren Chan in besitz zu nehmen. Die mitgerissen wurden vom Feuer der Begeisterung, mit dem Temudschin sie ansteckte. Es kam ihrer nomadischen Natur eher entgegen, zu reiten und zu kämpfen, als sich niederzulassen und zu verteidigen.
    Temudschins Horde überfiel die Stadt, mordete, plünderte und brannte sie nieder. Das war zu einer Stunde, da Wang sich selbst in seinem Landsitz befand, außerhalb der Stadt. Dort wollte er später seinen Palast errichten lassen, wenn die Stadt wuchs und sich ausdehnte.
    Die Eroberer fanden auch den Landsitz.
    Sie brannten ihn nieder. Sie töteten die Diener und Wangs Familie. Sie mordeten seine Kinder, sie verschleppten seine junge und schöne Frau, die er so sehr geliebt hatte. Und sie verschwanden so schnell wieder, wie sie gekommen waren, Trümmer und Asche und Tote hinterlassend. Die Stadt war zu jung gewesen, zu schwach befestigt, und ihre Einwohner hatten zu wenig an ihrer Seßhaftigkeit gehangen, um sich vehement genug zu verteidigen. Viele hatten sich der Horde des Eroberers angeschlossen und zogen mit ihr davon. Nur die Toten blieben zurück.
    Wang selbst war der einzige, der davongekommen war - er hatte sich auf einem Jagdausritt befunden. Als er zurückkehrte, stand er vor den rauchenden Trümmern seines Hauses und seiner Stadt, vor den Leichen seiner Untertanen und seiner Familie. Ein Sterbender keuchte ihm zu, daß seine Frau entführt worden sei, um im Zelt des Temudschin für dessen Vergnügen zu sorgen.
    Und Zorn und Haß flammte in Wang auf, und der brennende Wunsch nach Rache loderte in seinem Herzen. In den Trümmern der vernichteten Stadt schwor er dem Temudschin Rache. Es war ein Schwur, den er niemals hatte erfüllen

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