0373 - Blütenjagd im Niemandsland
ich, als der Alte neben mir stand. »Sardelli!«, erwiderte er.
***
Er muss eine Mischung aus Indianer-: und Negerblut sein, dachte ich.
»Stammst du aus Brasilien?«, fragte ich den alten Mann.
»Ja. Ich bin ein Carioca.« Die Augen unter dem Rand des Strohhuts leuchteten.
»Du kommst also aus Rio de Janeiro?« Die Einwohner dieser Stadt wurden Cariocas genannt.
Der mittelgroße, nur aus Sehnen, Muskeln und Haut bestehende Mann straffte sich.
»Ja.«
»Und dir gehört der Fischladen?« Ich zeigte auf die schwarzen Baracken.
Die Lederhaut nickte und machte eine ausladende Handbewegüng. »Alles, Mister, die ganze Bucht. Sie ähnelt der Guanabara, das müssen Sie doch zugeben, wenn Sie Rio kennen.«
»Das stimmt. Und wie bist du nach Baltimore gekommen?«
»Das ist eine lange Geschichte.«
»Ich habe wenig Zeit, Sardelli.«
Er zündete eine schwarze Zigarette an.
»Als Junge kam ich in den Norden und arbeitete mit meiner Familie auf einer Hazienda im Amazonas-Delta als Rinderhirt. Ich wollte nie Vaquero werden, Mister, sondern Seemann. Das gelang mir später. Am Amazonas sah ich zum ersten Mal die Piranhas. Einmal fraßen sie vor meinen Augen ein Rind. Ich beschloss, die Fische zu bezwingen.«
Er deutete zur Baracke hinüber. »Dort können Sie Piranhas sehen. Ich habe sie gezähmt. Das hat noch kein Mensch vor mir geschafft, sie aus dem Amazonas herauszuholen und sie in eine andere Umgebung, in anderes Wasser zu verpflanzen. Sie sind für einen Zoo bestimmt.«
»Und wie bist du nach Baltimore gekommen?«
»Ich fuhr zur See, wurde Fischer, landete eines Tages hier. Aber immer wieder bin ich zum Amazonas hinuntergefahren und habe die Lebensweise der Piranhas studiert. Genügt das?«
»Yes«, sagte ich. »Wo warst du eigentlich in der letzten Stunde, Sardelli?« Die dunklen Augen in dem Kranz aus tausend kleinen Falten sahen mich verwundert an. »Neben dem Hafenamt befindet sich eine kleine Kneipe. Dort bin ich oft zu finden.«
Sardelli sah zum Steg und in die Bucht. »Zwei Autos sind hier gewesen«, sagte er dann.
»Woher weißt du das?«
»Ich sehe es an den Spuren. Was war hier los?«
»Kennst du Sidney Hillman?«, fragte ich statt einer Antwort.
Er stutzte. Sein Gesicht sah teilnahmslos aus. »Sid?«, meinte er.
»Ja.«
»Warum fragen Sie nach Sid, Mister? Und wer sind Sie überhaupt?« Er strahlte kühle Ablehnung aus.
»Ich bin Cotton vom FBI«, sagte ich und zeigte ihm den Dienstausweis.
»FBI? Was hat das FBI bei mir zu suchen? Und was ist mit Sid Hillman?«
»Er ist vorhin in deine Piranha-Grube gefallen, Sardelli.«
»O Gott!«, rief Sardelli bestürzt aus, »wie konnte das passieren? Sidney wusste doch, wie gefährlich die Fische sind.«
»Woher kennst du ihn?«
»Er hat bei mir gearbeitet. Doch Sid und Arbeit sind zwei Dinge wie Feuer und Wasser. Sie lieben sich nicht.«
»Was weißt du sonst noch über Sid? Ich will alles wissen.«
Der Alte zögerte, und steckte die Hände in die Taschen. »Sid hat mir verboten, darüber zu sprechen.«
»Ich habe dir gesagt, dass ich vom FBI bin, Sardelli. Sidney Hillman steht unter dem Verdacht, ein Verbrechen begangen zu haben.«
»Ein Verbrechen? Damit habe ich nichts zu tun!«
»Wieso kam Hillman auch noch zu dir, nachdem er die Arbeit aufgegeben hatte?«
»Er wurde mein Kunde. Dann und wann charterte er die Barrakuda, meine Jacht, Agent Cotton.«
»Wie oft hat er das Schiff gemietet, Sardelli?«
»Das war unterschiedlich, Agent Cotton. Mal einmal im Monat, mal zweimal, mal auch nur alle sechs Wochen.«
»Und wann zuletzt?«
»Gestern sind wir zurückgekommen.«
»Aha. Wozu brauchte Hillman das Schiff?«
»Meistens fuhr er zu den Bahamas hinunter.«
»Allein?«
»Nein. Ich war dabei und habe die Jacht geführt.«
»Hat Sid Fische gefangen, Sardelli?«
»Wir fuhren zum Süden um Schwertfische zu fangen. Einige Seemeilen nördlich der kleinen Bahama-Bank liegen viele kleine Inseln.«
»Die Bahama Inseln gehören den Engländern.«
»Die Inselgruppe, von der ich spreche, liegt weiter nördlich, Agent Cotton. Sie gehört noch zu den Staaten. Wir fuhren mit der Jacht zu einer kleinen, unbewohnten Insel. Dort gingen Wir in einem natürlichen Hafen vor Anker, begannen die Fischerei und kehrten am Abend wieder in den Hafen zurück.«
»So eine Fahrt ist teuer. Wie konnte Sid das bezahlen?«
Die dünnen Schultern unter dem verwitterten Leinenstoff zuckten. »Keine Ahnung. Er zahlte im Voraus, alles andere interessierte mich
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