0378 - Aufstand der Henker
Zwei Schüsse krachten. Ich sah das Aufzucken der Mündungsflamme und zog durch. Glas zersplitterte. Obwohl ich genau gezielt hatte, erfolgte keine Reaktion. Tyst mußte in der Deckung der Treppenwand geblieben sein und nur die Hand mit der Kanone vorgeschoben haben, und um bei der Beleuchtung die Hand zu treffen, hätte ich einen Sonntags-Nchuß landen müssen.
Fünf Sekunden lang herrschte Stille. Dann kam Tysts Stimme, nicht mehr von der Tür her, sondern aus dem Zimmer.
»Ich bin schon im Büro, G-man. Ich kenne Charlys Bude besser als du.«
Zum Teufel, sie verstanden ihr Handwerk. Nicht Tyst, sondern French hatte die beiden blinden Schüsse zur Ablenkung abgefeuert, und Tyst hatte die Sekunden benutzt, um in den Raum zu huschen.
Wo stand Tyst? Bei dem Gerümpel, das Licksteads Büro füllte, gab es Deckung genug für ihn.
»Fast so etwas wie ein Russisches Duell, G-man«, hörte ich seine Stimme. Sie schien rechts von der Tür zu kommen, und wenn ich mich recht erinnerte, so stand dort ein schwerer, alter, mannshoher Schrank, der tief genug war, völlige Deckung zu geben.
»Willst du nicht ,Hier bin ich' rufen, G-man?«
Ich hütete mich, auch nur einen Laut von mir zu geben. Wenn sich Tyst dort befand, wo ich vermutete, dann konnte seine Kugel mich erwischen.
»Der G-man steht hinten rechts in der Ecke«, sagte French. »Ich habe das Mündungsfeuer gesehen.«
Lickstead, der sich bisher ruhig verhalten hatte, rissen die Nerven.
»Marc, du kannst mich doch nicht erschießen«, jammerte er mit hoher weinerlicher Stimme. »Du hast doch von mir alles bekommen, was du brauchtest. Marc, wenn du Geld brauchst, werde ich es dir geben. Bitte, Marc, Hau’, daß du mich nicht umbringen wirst. Versprich es mir! Wir können den G-man zusammen erledigen.«
Wieder erlosch die Lichtreklame. Tyst sagte:
»Ah, ich höre, daß du dich hinter dem Schreibtisch verkrochen hast. Okay, Charly, komm heraus, und wir werden miteinander reden.«
Lickstead antwortete nicht sofort. Dann fragte er kläglich:
»Du versprichst, daß du nicht abziehst?«
Ich schrie: »Mach keinen Unsinn, Charly. Sie bringen dich um.«
Die Henker verloren keine Sekunde. Sie feuerten beide in die Richtung, aus der meine Stimme kam. Eine Kugel fetzte eine Handbreit vor meiner Nase einen Splitter aus dem Schrank.
Ich zog durch. Ich feuerte aus dem 38er auf die Türöffnung und auf die Wand rechts daneben, wo Tyst sich befinden mußte. Dann packte ich die obere Kante des Schrankes, stemmte einen Fuß gegen die Wand und riß das schwere Möbel um. Der Boden dröhnte, Holz krachte, als der Schrank auf den Boden polterte. Ich warf mich flach neben ihn auf den Boden. Die Deckung war immer noch nicht perfekt, aber sie war besser als vorher.
Das rot-blaue Licht füllte wieder den Raum.
»Lebst du noch, G-man?« fragte Tyst. Er wartete auf die Antwort. Dann fragte er Lickstead:
»Kommst du nun, Charly? Auf deine G-man-Amme kannst du dich nicht länger verlassen.«
»Versprich mir, Marc«, schluchzte der Bowery-Gangster. »Versprich mir, daß du…«
»Komm endlich!« brüllte Tyst.
»Es wäre Wahnsinn!« schrie ich. »Bleib in Deckung. Sie können nicht stundenlang hier herumknallen!«
Zu spät! Hinter dem Schreibtisch stand Charly Lickstead auf. Ich sah deutlich die Umrisse seiner Gestalt.
Drei Schüsse krachten. Lickstead schrie auf und warf die Arme hoch. Ich jagte heraus, was ich noch in der Trommel hatte. Dann schlug der Hahn leer auf, aber in diesem Augenblick war Charly Lickstead schon tot.
Die Lichtreklame erlosch und Dunkelheit füllte den Raum. Fieberhaft lud ich den 38er nach, und noch während ich den Revolver in Ordnung brachte, sagte Tyst:
»Ich glaube, ich habe ihn gut erwischt. Jetzt kommst du an die Reihe, G-man.«
»Verlier nicht zuviel Zeit«, hörte ich French' sagen.
»Du hast recht! Räuchern wir ihn aus! Hast du den Kanister?«
French antwortete mit einem Knurrlaut.
»Bei der nächsten Dunkelheit«, sagte Tyst.
Ich hatte nachgeladen, hob die Nase und kniete mich hinter den Schrank. Ich wußte nicht, welche Teufelei sie planten. Mein Finger lag am Drücker, aber ich fand kein Ziel für den 38er.
Jetzt fiel die Dunkelheit wieder in das Zimmer. Ich hörte leise Schritte und verfeuerte zwei Kugeln.
»Nicht getroffen, G-man«, höhnte Tyst, und jetzt kam seine Stimme wieder von der Tür her.
Unmittelbar nach seinen Worten füllte das verdammte Reklamelicht die Bude wieder. Ich sah, daß ein viereckiger großer Gegenstand
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