038 - Verbotene Sehnsucht
weiterhin kein Wort. Diese beharrliche Weigerung zu sprechen, verdross den König, der es gewohnt war, alles nach seinem Willen zu haben. Aber auch diese kleine Verstimmung sollte bald vergessen sein. Als nämlich der König eines schönen Tages ausritt, verspürte ein böser Zwerg Lust auf ein königliches Mittagsmahl. Klirr! Knall!
Bumm! Und wieder war es Eisenherz, der vorpreschte und des Zwerges Kopf von dessen Körper trennte ...
Eisenherz
Emeline wachte auf, als die Vorhänge ihres Betts zurückgezogen wurden.
Verschlafen blinzelnd blickte sie in das Gesicht ihrer Dienerin Harris. Harris war eine Frau von gut fünfzig Jahren, mit unerschütterlicher Miene und einer große Knollennase, die ihre ansonsten eher zarten Züge dominierte. Emeline kannte viele Damen, die darüber klagten, dass ihre Zofen ihre Zeit mit eitlem Tratsch vertaten und der männlichen Dienerschaft schöne Augen machten.
Nicht so Harris.
„Ein Mr. Hartley wartet unten auf Sie, Mylady", sagte Harris mit steinerner Miene.
Verschlafen schaute Emeline zum Fenster hinüber. Das Morgenlicht schien noch recht fahl. „Wie bitte?"
„Er sagt, er sei mit Ihnen verabredet und werde nicht eher gehen, bis er Sie gesprochen habe."
Sie setzte sich auf. „Wie spät ist es?"
Harris spitzte die Lippen. „Viertel vor acht, Mylady."
„Du liebe Güte. Was ist jetzt nur wieder in ihn gefahren?" Emeline warf die Bettdecke zurück und suchte nach ihren Pantoletten. „Er muss verrückt geworden sein. Niemand macht um acht Uhr morgens Besuche."
„Ja, Mylady." Harris bückte sich, um ihr mit den Schuhen behilflich zu sein.
„Nicht mal um neun", murmelte Emeline und steckte die Arme in den Morgenmantel, den Harris ihr hinhielt. „Eigentlich ist alles vor elf anrüchig, und ich persönlich würde niemals vor zwei meine Aufwartung machen. Verrückt. Absolut verrückt."
„Ja, Mylady."
Emeline wurde eines unmelodischen Pfeifens gewahr. „Was ist das für ein Lärm?"
„Mr. Hartley, der unten in der Halle pfeift, Mylady", erwiderte Harris.
Einen Moment lang starrte Emeline ihre Dienerin an. Sie war sprachlos. Das Pfeifen fand seinen Höhepunkt mit einem unaussprechlich verfehlten Ton. Emeline eilte aus ihrem Zimmer, marschierte den Korridor hinab und beugte sich über die Brüstung der Galerie, von der aus man die große Halle überblicken konnte. Mr. Hartley stand mit dem Rücken zu ihr, seinen Dreispitz in der Hand, die Hände auf dem Rücken verschränkt. Müßig wippte er auf den Fersen und pfiff durch die Zähne.
„Schsch!", machte Emeline.
Mr. Hartley fuhr herum und schaute zu ihr hinauf. „Guten Morgen, Mylady!", rief er und verneigte sich. Erschreckend, wie frisch und munter dieser Mann zu so früher Stunde schon war.
„Sind Sie jetzt völlig verrückt geworden?", fragte Emeline aufgebracht. „Was machen Sie so früh hier?"
„Ich wollte Sie zu Wedgwood entführen, damit Sie mir bei der Auswahl der Tonwaren behilflich sind."
Verärgert runzelte sie die Stirn. „Ich habe niemals ..."
„Sie sollten sich vorher etwas anderes anziehen", schlug er vor und ließ seinen Blick zu ihrem Dekollete wandern. „Wenngleich ich nichts gegen Ihren derzeitigen Aufzug einzuwenden habe."
Emeline schlug sich mit der Hand an die Brust. „Wie können Sie es wagen ..."
„Hier zu warten? Keine Ursache - wenn es nicht zu lange dauert." Und wieder stimmte er dieses entsetzliche Pfeifen an. Diesmal sogar noch lauter.
Emeline wollte etwas erwidern, sah jedoch davon ab, da er sie über den Lärm, der zwischen seinen Lippen hervorkam, wohl kaum verstanden hätte und sie ihre Stimme ganz gewiss nicht erheben würde. Wortlos raffte sie ihre Röcke und marschierte zurück in ihr Zimmer. Harris hatte bereits ein feuerrotes Seidenkleid bereitgelegt, und Emeline war in skandalös kurzer Zeit angekleidet und frisiert.
Dennoch besaß Mr. Hartley die Dreistigkeit, einen stummen Blick auf die Uhr zu werfen, als Emeline die Treppe herunterkam.
Sie selbst bedachte er nur mit flüchtigem Blick. „Kommen Sie, ich möchte Mr. Bentley, den Kompagnon von Mr. Wedgwood, nicht warten lassen."
Emeline runzelte irritiert die Stirn, als sie von ihm eilig zur Tür hinausgeleitet wurde.
„Wann erwartet er Sie denn?"
„Um neun", erwiderte Mr. Hartley und half ihr in die wartende Kutsche.
„Und warum haben Sie mich dann bereits vor acht aufgesucht?", fragte sie gereizt, sobald er ihr gegenüber Platz genommen hatte.
„Weil ich mir dachte, dass Sie gewiss eine Weile
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