039 - Der schwarze Abt
mitzuteilen?«
»Das - und noch etwas anderes.«
»Ah, rückte er mit einem Vorschlag heraus?«
Sie spürte die Erregung in seiner Stimme - ein Ertrinkender, der nach einem Strohhalm griff. Dennoch schmerzte sie der Gedanke, daß er bedenkenlos ein neues Opfer ihrerseits in Erwägung zog.
»Allerdings. Aber ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich möchte mich zuerst mit Dick besprechen.«
»Ist das notwendig?« wagte er einzuwenden.
»Ja.«
Sie ging zum Telefon. Als sie den Hörer abnahm, hielt er ihren Arm fest.
»Laß dich nicht in allem von Dick leiten«, beschwor er sie, heiser vor Aufregung. »Vielleicht wirst du mit Gilder glücklicher als mit Harry!«
Sie schüttelte stumm seinen Arm ab, ließ sich mit Fossaway verbinden und erfuhr vom Butler, daß Dick nach London gefahren sei und erst nachts zurückerwartet werde. Müde legte sie den Hörer zurück.
»Du hast eine Woche Zeit, Arthur - ich nur vierundzwanzig Stunden. Ich denke, daß mein Fall schlimmer ist.«
Sie ging hinaus. Er hörte sie die Treppe hinaufgehen. Nach einer Weile folgte er ihr, rief und klopfte an ihre Tür. Sie war verschlossen.
30
Am Nachmittag stieß Dick Alford in der Wardour Street auf ein bekanntes Gesicht. Ein Bündel unter den Arm geklemmt, trat ein Mann aus einem der Läden, machte jäh kehrt und eilte in entgegengesetzter Richtung davon. Ach - Thomas! Was mochte der wohl hier eingekauft haben? Dick sah sich das Schaufenster an. Da hingen Maskenkostüme, frivoler Mummenschanz, für den Thomas doch eigentlich keine Verwendung haben konnte!
Dick war etwas verbittert; zwei Besuche hatte er schon gemacht und in beiden Fällen höfliche Zurückweisung erfahren. Jetzt ging er - seine letzte Hoffnung - zu Mr. Jarvis, einem Jugendfreund seines Vaters, der im Krieg vom soliden Provinzbankier zum Lord Chanfield und zum Chef der größten englischen Bank avanciert war.
Der Financier begrüßte ihn mit aufrichtiger Freude, denn er hatte Dick als Jungen schon gut gemocht.
»Nanu, was bringt Sie in unseren Ameisenhaufen?«
Dick brachte sein Anliegen vor.
»Fünfzigtausend Pfund, mein Junge!« Der alte Herr wiegte den weißen Kopf. »Brauchen Sie es selbst?«
»Nein, für einen Freund, der in der Klemme sitzt.« Die Bezeichnung ›Freund‹ kostete ihn etliche Überwindung.
»Ausgeschlossen. Wenn Sie selbst in der Klemme säßen, würde ich Ihnen das Geld aus meiner eigenen Tasche geben. Aber Sie sind nicht der Mann, dem so etwas passiert.«
»Und wenn ich bürge?«
Der Bankier lachte.
»Was heißt das, Dick? Welche Chance hätten Sie, fünfzigtausend Pfund zurückzuzahlen? Harry heiratet demnächst, und übers Jahr ist ein Erbe da. Was bleibt da für den jüngeren Sohn?«
In seiner Verzweiflung erzählte Dick, ohne Namen zu nennen, die ganze Geschichte, die sich Lord Chanfield mit ernstem Gesicht anhörte.
»Er muß es ausbaden«, erklärte er dann. »Mir tut das Mädchen leid. Natürlich sprechen Sie von Gine - nein, nein, leugnen Sie es nicht! Ich werde Ihr Vertrauen nicht mißbrauchen. Verdächtig war mir der Bursche schon lange. Wenn er hinter schwedischen Gardinen sitzt, können Sie von mir für seine Schwester so viel Geld haben, wie Sie wollen. Ich kannte sowohl ihren Vater gut als auch ihren Onkel, der ihr ein schönes Erbe hinterließ, das vermutlich gleichfalls verjubelt ist. Ihr will ich gern helfen, aber Sie dürfen sich nicht für diesen unwürdigen Menschen ins Zeug legen, Dick!«
Niedergeschlagen fuhr Dick nach Chelfordbury zurück. Am Bahnhof erwartete ihn Puttler, der einige Neuigkeiten zu berichten wußte.
»Thomas hält sich in unserer nächsten Nähe auf, und zwar in Gilders Cottage.«
»So.« Das war alles, was Dick dazu zu äußern wußte. Was kümmerte ihn in seiner momentanen Verfassung Thomas oder Gilder oder sonst irgendetwas?
»Auch Mr. Gilder beehrte uns heute nachmittag mit einem Besuch«, berichtete Puttler weiter. »Das heißt, ich sah ihn, wie er mit seinem Wagen vom Willow-Haus wegfuhr, und muß sagen, daß er eine ziemlich selbstzufriedene Miene zur Schau trug. Außerdem habe ich das Gewehr gefunden, Mr. Alford!«
»Wo?« fragte Dick mit plötzlichem Interesse.
»Im Fluß. Der Kerl hatte es anscheinend sehr eilig, als er es hineinwarf, denn ein Stück des Laufs ragte noch aus dem Wasser heraus.«
»Haben Sie meinen Bruder gesprochen?«
»Ja. Er entwickelte mir beim Tee seine Ansicht über den ›Chesil‹, der in dem alten Tagebuch erwähnt wird. Meine Meinung darüber habe ich für
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