039 - Der schwarze Abt
Es bleiben dir ein paar tausend Pfund, an die ich nicht herankonnte. Alles andere, mehr als eine Viertelmillion Pfund, habe ich am grünen Tisch und auf dem Turf verspielt. - Gut, daß es heraus ist!«
Er zog die Binde von seinem beschädigten Auge. Abgesehen von den buntschillernden Flecken, die nun zum Vorschein kamen, war sein Gesicht weiß wie Kalk. Als er endlich zu seiner Schwester aufschaute, begegnete er nicht dem Blick voll Verachtung, den er erwartet hatte. Weder Verachtung noch Bestürzung. Nein, sie lächelte sogar.
»Gott sei Dank!« flüsterte sie so leise, daß er sie nicht verstehen konnte.
»Er wird dich auch ohne Vermögen nehmen.«
»Ich habe Harry bereits geschrieben, daß ich unser Verlöbnis aufhebe.« Sie nahm seinen Arm. »Komm, wir wollen nun frühstücken!«
26
Das Schreiben erreichte Lord Alford, Graf von Chelford, mit zwei oder drei Geschäftsbriefen; seine Korrespondenz bestand hauptsächlich aus Zuschriften von Londoner Buchhändlern, denen er ununterbrochen alte Drucke und Pergamente abkaufte. Als er die Handschrift auf dem Privatbrief erkannte, drehte er den Umschlag unschlüssig hin und her, um ihn endlich mißmutig aufzuschneiden.
›Lieber Harry,
seit längerer Zeit habe ich die Überzeugung gewonnen, daß wir so wenig Gemeinsames haben, daß eine Heirat wohl für keinen von uns das Glück bedeuten würde. Eigentlich müßte ich Dir nun meinen Verlobungsring zurücksenden, aber glücklicher- oder unglücklicherweise hattest Du vergessen, mir dieses Symbol der Zusammengehörigkeit zu schenken. Ich wünsche Dir alles Gute und hoffe, daß wir auch weiterhin Freunde bleiben werden. Leslie.‹
Harry las die Zeilen, rieb sich völlig verdutzt die Stirn, erhob sich und stürmte hinüber ins Arbeitszimmer seines Bruders.
»Lies das! Was hältst du davon?«
Dick überflog den Inhalt.
»Das tut mir leid.«
»Leid -? Es ist eine Schmach!« zeterte Harry los. »Man wird mich für einen Trottel halten! Und diese Bemerkung über den Verlobungsring ist absolut geschmacklos. Warum sollte ich diese lächerliche, stupide Sitte mitmachen, um so mehr, als sie bereits einen sehr schönen Ring hat? Du hast ihn sicher gesehen - einen großen Brillanten, den sie fast immer trägt.« Trotz der Erregung und des Ärgers, die Harry zeigte, glaubte Dick aus seiner Stimme etwas wie Erleichterung herauszuhören. Doch seine Eitelkeit war verletzt worden. »Und ohne den geringsten vorherigen Wink! Gestern noch war sie hier und ließ kein Wörtchen fallen.«
»Du hast ihr auch keine Gelegenheit dazu gegeben«, entgegnete Dick, »hast dich überhaupt nicht um sie gekümmert. Sei gerecht, Harry!«
»Das mag stimmen«, lenkte Harry versöhnlich ein, »vielleicht eigne ich mich eben wirklich nicht zur Ehe. Aber man wird über mich spotten!« Sein Ärger flammte von neuem auf, die dicken Gläser seiner Hornbrille funkelten Dick an. »Die ganze Grafschaft weiß von unserem Verlöbnis und wird nun herumschnüffeln, weshalb es zum Bruch kam. Ich sehe schon die Reporter aufkreuzen«
»Schick sie alle zu mir!«
Noch immer war der Bruder nicht ganz besänftigt.
»Was hat sie nur zu diesem Schritt veranlaßt? Glaubst du, daß sie einen andern Mann kennengelernt hat, der ihr besser gefällt? Das würde es allerdings noch schlimmer machen. Was soll ich jetzt tun?«
»Schreib ihr ein paar liebenswürdige Zeilen, daß du einverstanden bist.«
»Sag mir doch, Dick, ob deiner Meinung nach ein anderer dahintersteckt?«
»Wahrscheinlich ein Dutzend - aber tu jetzt, was ich dir gesagt habe, Harry!«
Brummend zog sich Lord Alford in die Bibliothek zurück.
Sie hatte sich frei gemacht! Dick wußte nicht recht, ob er stolz darauf sein sollte. Er holte die Pfeife aus der Tasche und stopfte wild Tabak hinein. Angenommen, Harry übertrüge nun die Verwaltung des Vermögens einem anderen Anwalt, dann war Arthur Gines Ruin besiegelt. Die Wechselfälschungen konnte Dick gerade noch vertuschen, aber »Seine Gnaden wünscht Sie zu sprechen«, meldete ein Diener.
Harry saß mit zerwühltem Haar und einer bösen Falte auf der Stirn an seinem Schreibtisch.
»Dick, ich möchte mit diesen Gines alle Beziehungen abbrechen. Ich bitte dich, einen andern Anwalt mit meinen Angelegenheiten zu betrauen. Jeder einzelne Posten soll aufs genaueste nachgeprüft werden. Das Vermögen meiner verstorbenen Mutter muß sich auf etwa fünfzigtausend Pfund belaufen, und wehe dem Burschen, wenn ein Penny fehlt! Er hat mich in der Grafschaft
Weitere Kostenlose Bücher