04 Im Bann der Nacht
du.« Der Nebel kam näher und brachte den Geruch von reifem Salbei mit sich. »Im Laufe der Jahre gab es eine endlose Anzahl davon. Und sollte sie jemals wahrhaft aus ihrer Zitadelle in Avalon befreit werden …«
Anna wartete ungeduldig auf die Antwort. »Was dann?«
Doch die Gestalt schüttelte nur den Kopf. Oder wenigstens hatte sie das Gefühl, es sei so.
»Die Welt wird von ihren Perversionen überzogen werden«, rief er mit aufgewühlter Stimme und nahm einen ungestümen Befehlston an, als er fortfuhr: »Du darfst ein solches Schicksal nicht zulassen!«
»Ich? Was soll ich denn tun?«
»Du verfügst über die Macht, Morgana zu vernichten.«
»Nein.« Der Geist oder Schatten oder was auch immer er war, war eindeutig völlig übergeschnappt. »Solche Macht habe ich nicht. Ganz ehrlich nicht.«
»Du hast das Gegenteil bewiesen, indem du bisher am Leben geblieben bist. Morgana hat sich große Mühe gegeben, um sich von dir zu befreien.«
Annas Lachen enthielt eine Menge Bitterkeit. »Großer Gott, alles, was ich getan habe, ist, eine Katastrophe nach der anderen heraufzubeschwören! Es ist schon fast ein Wunder, dass ich es noch nicht geschafft habe, mich selbst in die Luft zu sprengen. Und zu Ihrer Information: Der einzige Grund, warum ich noch am Leben bin, ist Cezar, nicht irgendeine Kraft, die ich angeblich besitze.«
Der Nebel schien innezuhalten. »Der Vampir.«
Anna sah ihn an. »Sie kennen ihn?«
»Ich sehe vieles, selbst hier.«
Sie war sich nicht sicher, ob sie sich freuen oder gruseln
sollte. Eigentlich war es ein schöner Gedanke, dass jemand über sie wachte.Andererseits war so ein mystischer Spanner auch irgendwie unheimlich.
»Du unterschätzt dich, Anna Randal.« Seine Stimme wurde weicher. »Du wurdest geboren, um eine Vorhut zu sein. Dein Schicksal ist bedeutender, als selbst ich es mir jemals hätte vorstellen können.«
Anna stemmte die Hände in die Hüften. Schluss und aus!
Sie hatte genug davon, dass andere Leute ständig ihr Schicksal erwähnten, als ob sie alle etwas wüssten, das ihr selbst nicht geläufig war. Und sie mochte den Gedanken auch nicht, dass irgendwelche Leute darauf angewiesen wären, dass sie ein fernes Ziel erreichte.
»Momentan ist mein Schicksal, mit einem außer Gefecht gesetzten Gargylen in einem dreckigen Stall gefangen zu sein, wobei ich keinen blassen Schimmer habe, wo genau ich bin oder wie ich uns beide schützen soll«, brachte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Das sieht mir kaum nach einer Vorhut aus.«
»Du besitzt die Macht«, wiederholte er. »Dir fehlt nur die Fähigkeit, sie richtig anzuwenden.«
Findest du? , dachte Anna ironisch, als sie an den unangenehmen Kampf zurückdachte, den sie gerade mit dem Portal ausgetragen hatte. »Wenn Sie wirklich ein Verwandter von mir sind, warum bringen Sie es mir dann nicht bei?«, forderte sie ihn heraus.
Erneut folgte ein Kopfschütteln. »Vergib mir, Anna, doch meine Zeit hier ist begrenzt.«
»Was wollen Sie dann überhaupt hier?«
Eine spürbare Traurigkeit erfüllte den Raum. »Dies war einst mein Heim. Nun vermute ich, es ist mein Grab.«
Anna biss sich auf die Lippe. »Tut mir leid.«
»Ich habe mein Schicksal akzeptiert.«
Seine Stimme klang ausdruckslos, aber Anna vermutete, dass er noch weit davon entfernt war, sein Schicksal zu akzeptieren. Er schien Morgana für sein Elend die Schuld zu geben, und er wollte wohl erleben, wie sie dafür bestraft wurde. Und das offenbar, indem er sie als Waffe dafür benutzte. Na, vielen Dank auch.
»Sagen Sie mir, wer Sie sind?«
Der Nebel verdichtete sich und trieb wieder auseinander, und Anna hätte schwören können, dass sie spürte, wie ihr ein Finger über die Wange strich. »Du weißt, wer ich bin, Anna.«
»Sind Sie Artus?«, fragte sie heiser, überrascht über die Flut an Wärme, die auf einmal durch ihr Herz strömte. »Der mit der Tafelrunde auf Camelot?«
»Ich bin Artus, dein Urahn.« Die neblige Hand streichelte über ihren Arm, und dann spürte sie plötzlich ein Gewicht in ihrer Handfläche. »Dies ist für dich.«
Verblüfft ließ Anna die schwere silberne Halskette beinahe fallen. An ihr baumelte ein Smaragd, der groß genug war, um Liz Taylor zum sofortigen Sabbern zu bringen. »Was ist das?«, keuchte sie.
»Ein Anhänger, der mir von einem großen Magier gegeben wurde. Er wird dir helfen, deine Kräfte zu fokussieren.«
Langsam hob Anna den Blick. »Ich nehme nicht an, dass eine Bedienungsanleitung dabei
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