04 - Mein ist die Rache
zu den wenigen Häusern hinter der Mole, weiter die Stufen hinauf.
Oben auf der Straße, die zur Bucht hinunterführte, stieg St. James aus dem Auto. »Fahren Sie nach Howenstow zurück«, befahl er Cotter. »Ich fahre mit Tommy.«
»Soll ich Daze etwas ausrichten?«
St. James überlegte. Jede Nachricht für Lynleys Mutter war ein zweischneidiges Schwert, einerseits vielleicht beruhigend, um so beängstigender jedoch andererseits. »Vorläufig nicht, nein.«
Er wartete, bis Cotter den Wagen gewendet hatte und in der Richtung davongefahren war, aus der sie gekommen waren. Dann stieß er langsam nach Lamorna hinunter. Der Wind riß an seinen Kleidern, und die Sonne lag warm auf seinem Gesicht. Das klare Wasser der Bucht spiegelte die Farben des Himmels wider, und der feine Sand leuchtete wie frisch gewaschen. Das Unwetter, das der Daze zum Verhängnis geworden war, schien hier spurlos vorübergezogen zu sein.
St. James beobachtete Lynley, der mit gesenktem Kopf, die Hände tief in den Hosentaschen, die Mole hinaufging. Seine Haltung verriet, wie es in ihm aussah, und die Tatsache, daß er allein war, legte nahe, daß er die Suchaktion abgebrochen hatte oder die anderen ohne ihn weitergefahren waren. Da die Mannschaft schon seit Stunden unterwegs war, hielt St. James das erstere für wahrscheinlich.
Er rief nach Lynley.
Der sah auf, hob grüßend die Hand, sprach aber erst, als er am Ende der Mole mit St. James zusammentraf. Er wirkte sehr niedergeschlagen.
»Nichts.« Er hob den Kopf, und der Wind blies ihm durch das helle Haar. »Wir haben eine volle Runde gedreht. Ich habe mich aus reiner Verzweiflung noch einmal mit den Leuten hier unterhalten. Ich dachte, jemand hätte sie vielleicht beobachtet, wie sie das Boot zum Auslaufen fertigmachten oder Proviant an Bord brachten. Aber kein Mensch in diesen Häusern hat das geringste gesehen. Nur die Frau, die das Café führt, hat die Daze gestern überhaupt bemerkt.«
»Um welche Zeit?«
»Kurz nach sechs Uhr morgens. Sie machte gerade ihr Café auf, war dabei, die Jalousien hochzuziehen.«
»Und es war wirklich gestern? Nicht am Tag vorher?«
»Sie weiß, daß es gestern war, weil sie nicht verstehen konnte, wieso das Boot auslief, obwohl Regen angesagt war.«
»Aber sie hat es am Morgen gesehen?«
Lynley warf ihm einen Blick zu, lächelte müde, aber dankbar. »Ich weiß, was du denkst. Peter war schon am Abend zuvor aus Howenstow verschwunden. Es ist darum weniger wahrscheinlich, daß er das Boot genommen hat.
Das ist nett von dir, St. James. Glaub nicht, daß ich nicht schon selbst diese Überlegung angestellt habe. Aber Tatsache ist doch, daß er und Sasha in der Nacht nach Lamorna gekommen sein und an Bord geschlafen haben können. Und am Morgen sind sie dann ausgelaufen.«
»Hat die Frau jemand auf dem Boot gesehen?«
»Nur eine Gestalt am Ruder.«
»Nur eine?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sasha Ahnung vom Segeln hatte, St. James. Sie war wahrscheinlich unten in der Kabine. Vermutlich hat sie noch geschlafen.« Lynley blickte zur Bucht zurück. »Wir haben die ganze Küste abgeklappert. Aber bisher haben wir keine Spur von ihnen gefunden.«
»Peter hat die Daze nicht genommen«, schloß St. James. »Da bin ich ganz sicher.«
Lynley drehte langsam den Kopf zu ihm. »Was sagst du da?«
»Wir müssen jetzt als erstes nach Penzance.«
Inspector Boscowan führte sie in die Kantine. Yellow Submarine nannte er sie, und mit Recht: gelbe Wände, gelbes Linoleum, gelbe Resopaltische, gelbe Kunststoffstühle. Nur das Geschirr hatte eine andere Farbe, leider karminrot. Die Gesamtwirkung ermunterte nicht dazu, länger als unbedingt nötig beim Essen zu verweilen. Sie setzten sich mit einer Kanne Tee an einen Tisch mit Blick auf einen kleinen grauen Hof, in dem eine müde Esche um ihr Leben kämpfte.
»Entwurf und Einrichtung von einer Bande Verrückter«, bemerkte Boscowan und hakte einen Fuß um das Metallbein eines abseits stehenden Stuhls, um ihn an den Tisch zu ziehen.
»Soll angeblich von der Arbeit ablenken.«
»Das tut es ohne Zweifel«, meinte St. James.
Boscowan schenkte Tee ein, und Lynley riß drei Zellophanpäckchen mit trockenen Keksen auf, die er auf einen Teller kippte.
»John hat heute morgen mit einem Anwalt gesprochen. Ich mußte ihm zureden wie einem lahmen Gaul, ehe er dazu bereit war. Ich wußte immer, daß der Mensch stur ist, aber so hab' ich ihn noch nie erlebt.«
»Werden Sie ihn unter Anklage stellen?« fragte
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