04 - Mein ist die Rache
angeschlagen - bei der Suche nach Peter zu helfen.«
»Ja, er mußte das Boot verlassen«, sagte Penellin stumpf.
»Das Kokain war Grund genug für ihn. Wenn in Penberth jemand die Küstenwache angerufen hätte, wäre er ganz schön in Schwierigkeiten geraten. Lieber riskierte er sein Leben und sprang in der Nähe der Küste über Bord, als sich mit einem Kilo Kokain auf dem Boot schnappen zu lassen und ins Gefängnis zu wandern.«
»John«, sagte Lynley eindringlich, »Sie müssen Boscowan die Wahrheit sagen. Über alles.«
Penellin sah ihm direkt in die Augen. »Und Mark?« fragte er.
Lynley antwortete nicht.
Penellins Gesicht zog sich zusammen vor Qual. »Ich kann nicht tun, was Sie von mir verlangen. Ich kann es nicht. Er ist mein Sohn.«
Nancy arbeitete vor dem Haus. Molly saß nicht weit von ihr im Kinderwagen und amüsierte sich mit einer Kette kleiner bunter Plastikenten, die ihre Mutter vor ihr aufgehängt hatte. Als Lynley den Wagen in der Auffahrt anhielt, blickte Nancy auf.
»Keine Nachricht von Peter?« fragte sie und ging ihnen entgegen, als sie aus dem Wagen stiegen.
»Ist Mark hier, Nancy?«
Sie stockte. Die Tatsache, daß Lynley auf ihre Frage keine Antwort gegeben hatte, schien sie zu beunruhigen, als ahnte sie, daß Schlimmes auf sie zukam.
»Hat Mark hier gestern abend die Läden gerichtet?« fragte Lynley.
»Die Läden?«
Die Frage war Bestätigung genug. »Ist er im Haus?« fragte St. James.
»Ich glaube, er ist gerade weg. Er wollte ...«
Brüllende Rockmusik aus dem Haus unterbrach sie. Sie drückte die Faust auf den Mund.
»Wir haben mit Ihrem Vater gesprochen«, sagte Lynley zu ihr. »Sie brauchen Mark nicht mehr zu schützen. Es ist an der Zeit, daß er die Wahrheit sagt.«
Sie blieb im Garten stehen, während die beiden Männer ins Haus gingen, dem Dröhnen der Bässe folgend in die Küche, wo Mark am Tisch saß und an den Knöpfen seines Kofferradios drehte. Wie Freitagnacht, nach der Ermordung Mick Cambreys, fielen St. James auch jetzt wieder besondere Einzelheiten an der Erscheinung des Jungen auf: eine schwere Goldkette um das rechte Handgelenk, eine neue Armbanduhr am linken, Markenjeans und ein Designerhemd, Schlangeniederstiefel, das Stereoradio. Von dem Lohn, den sein Vater ihm für die Arbeit auf dem Gut bezahlte, hätte er sich nicht eines dieser Stücke kaufen können.
Auf dem Tisch lagen neben einer Flasche Bier ein angebissenes Schinkenbrot und ein aufgerissener Beutel Essigchips, von denen ein beißender Geruch aufstieg. Mark griff hinein, blickte auf und sah die beiden Männer an der Tür stehen. Er stellte das Radio leiser und stand auf. Die Chips ließ er auf einen Teller fallen.
»Was ist?« fragte er. »Ist was mit Peter? Ist ihm was passiert?« Er fuhr sich mit der rechten Hand über die Schläfe, als wolle er sein Haar glätten, das so sorgfältig gekämmt war wie immer.
»Wir sind nicht wegen meines Bruders hier«, sagte Lynley.
Mark runzelte die Stirn. »Ich hab' nichts gehört. Nance hat mit Ihrer Mutter telefoniert. Sie sagte, sie wüßte nichts Neues. Haben Sie - kann ich etwas ...?« Er streckte einen Arm aus, als wolle er Hilfe anbieten.
St. James fragte sich, wie Lynley die Maskerade des Jungen durchdringen wollte, und bekam sogleich die Antwort. Lynley fegte das Radio mit solcher Wucht vom Tisch, daß es gegen die Küchenschränke flog und einen Holzsplitter herausriß.
»Hey!«
Lynley stieß den Jungen auf den Stuhl hinunter. Marks Kopf schlug an die Wand.
»Was zum Teufel ...«
»Sie können mit mir reden oder mit der Kripo in Penzance. Überlegen Sie es sich.«
Ein Blitz des Verstehens zuckte über das Gesicht des Jungen. Er rieb sich das Schlüsselbein. Dennoch sagte er nur:
»Sie sind ja verrückt.«
Lynley warf das Sandwichpapier aus dem Café Talisman auf den Tisch. »Also, wie hätten Sie's gern? Entschließen Sie sich gefälligst.«
Marks Gesicht blieb unbewegt, während er auf das Papier hinuntersah, die Zahlen las, die Notizen, seine eigenen Initialen. Er lachte kurz auf. »Sie sitzen ganz schön in der Scheiße wegen Brooke, was? Sie haben eine Heidenangst, daß die Bullen da nachgrasen. Und jetzt wollen Sie Ihrem Bruder aus der Patsche helfen.«
»Wir sind nicht Peters wegen hier.«
»Nein. Natürlich nicht. Reden wir nicht von Peter, sonst erfahren Sie womöglich die Wahrheit über ihn. Aber mir können Sie nichts anhängen, das sag' ich Ihnen. Mir nicht.«
»Sie haben die Daze aus Lamorna geholt. Sie sind bei
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