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04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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zu dem Gespräch kaum mehr beizusteuern hatte als ihre Bewunderung, gern geglaubt, mehr zu ihrer Beziehung beitragen zu müssen. Und sie hatte es getan - auf der Matratze in der alten Mühle von Howenstow, wo sie sich den ganzen April getroffen und das Kind gezeugt hatten, das im Januar zur Welt gekommen war.
    Sie hatte keine Sekunde lang darüber nachgedacht, wie ihr Leben sich vielleicht verändern würde. Sie hatte keine Sekunde lang darüber nachgedacht, wie Mick selbst sich vielleicht verändern würde. Nur dem Augenblick hatte sie gelebt, nur Gefühl und Sinne waren wichtig gewesen. Seine Hände und sein Mund, sein harter männlicher Körper, der schwache Salzgeschmack seiner Haut, das Aufstöhnen der Wonne, wenn er sie nahm. Das Glück darüber, daß er sie begehrte, hatte alle Gedanken an die möglichen Konsequenzen zurückgedrängt. Sie waren Nebensache.
    Wie anders war es jetzt.
    »Können wir darüber reden, Roderick?« hatte sie Mick sagen hören. »Bei unserer gegenwärtigen finanziellen Situation sollten Sie sich diesen Entschluß wirklich noch einmal überlegen. Sprechen wir doch darüber, wenn ich aus London zurück bin.«
    Er hatte noch einen Moment zugehört, einmal gelacht, dann aufgelegt und sich umgedreht nach der Tür, wo sie, flammend rot vor Scham, ihn belauscht zu haben, zurückschreckte. Aber ihre Anwesenheit störte ihn gar nicht. Er ignorierte sie einfach und kehrte an seine Arbeit zurück, während über ihnen im Schlafzimmer die kleine Molly weinte.
    Nancy hatte ihm zugesehen, wie er auf seinem neuen Computer gearbeitet hatte. Sie hörte ihn vor sich hinbrummen und sah, wie er die Betriebsanleitung zur Hand nahm, um einige Seiten zu lesen. Sie ging nicht zu ihm, um mit ihm zu sprechen.
    »Bei unserer gegenwärtigen finanziellen Situation ...«
    Gull Cottage gehörte ihnen nicht. Das Haus war nur gemietet. Aber das Geld war knapp. Mick gab es zu unüberlegt aus. Die letzten zwei Mieten waren sie schuldig geblieben. Wenn Dr. Trenarrow jetzt eine Erhöhung beabsichtigte und diese Erhöhung zu dem hinzukam, was sie bereits schuldeten, war es vorbei. Das wußte sie. Und wohin sollten sie dann? Gewiß nicht nach Howenstow, wo sie im Verwalterhaus von der grollenden Barmherzigkeit ihres Vaters abhängig wären. Das war unmöglich.
    »Die Tischdecke hat 'n Loch, Mary. Hast du eine zweite mitgebracht?«
    »Nein. Stell doch einfach einen Teller drauf.«
    »Und wer sitzt mitten auf dem Tisch, Mary?«
    Gelächter schallte zu Nancy herüber. Die Mädchen schüttelten das weiße Tischtuch aus. Von einem plötzlichen Windstoß ergriffen, bauschte es sich in ihren Händen. Nancy hob das Gesicht in den Wind, aber er blies ihr nur ein paar welke Blätter und eine Handvoll Staub ins Gesicht.
    Sie hob eine Hand, um sich abzuwischen, aber schon die Bewegung war zuviel. Seufzend schlurfte sie weiter zum Haus.

    In London von Liebe und Ehe zu sprechen war leicht. Aber es war etwas ganz anderes, allen Konsequenzen dieser leicht dahingesagten Worte ins Auge zu sehen, wenn man sie hier in Cornwall praktisch auf dem Präsentierteller dargeboten bekam. Als sie aus dem Wagen stieg, der sie am kleinen Flughafen von Land's End abgeholt hatte, war Deborah Cotter entschieden mulmig.
    Sie hatte Lynley immer nur in ihrem eigenen Lebenskreis erlebt und darum nie ernstlich darüber nachgedacht, was es heißen würde, in seine Familie einzuheiraten. Sie wußte natürlich, daß er von altem Adel war. Sie war in seinem Bentley gefahren, sie kannte sein Londoner Haus und seinen Butler. Sie hatte von seinem Porzellan gegessen, aus seinem Kristall getrunken und ihm zugesehen, wenn er in seine maßgeschneiderten Anzüge schlüpfte. Das alles jedoch hatte sie kurzerhand in einen Kasten mit dem Etikett »Wie Tommy lebt« gesteckt. Ihr eigenes Leben hatte es nicht berührt. Doch als Tommy mit dem Flugzeug zweimal über Howenstow gekreist war, um ihr den Besitz zu zeigen, hatte eine erste Ahnung sie angeflogen, daß ihrem Leben, wie sie es seit einundzwanzig Jahren kannte, tiefgreifende Veränderungen bevorstanden.
    Das Haus war ein mächtiger jakobinischer Bau in der Form eines deformierten E's, dem der mittlere Balken fehlte. Ein großer Seitenflügel wuchs von der Westecke nach rückwärts hinaus, und im Nordwesten, im Rücken des Gebäudes, stand eine Kirche. Hinter dem Haus gruppierten sich Wirtschaftsgebäude und Stallungen, und dahinter dehnte sich der Park bis zum Meer hin aus. Kühe weideten auf diesen Parkflächen unter

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