04 The Vampire Diaries - Stefan's Diaries - Nebel der Vergangenheit
später auch noch tun. Aber jetzt wollte ich sehen, wo sich der Mord ereignet hatte.
»N atürlich«, erwiderte der Kutscher. Und sofort wurde ich im Trab in das Gewirr der engen Londoner Straßen entführt.
Nach einigem Hin und Her setzte der Kutscher mich an der Ecke ab, an der gerade die Tower Bridge erbaut wurde. Als ich mich umschaute, konnte ich den Tower von London sehen. Er war kleiner, als ich ihn mir vorgestellt hatte und die Flaggen auf den Türmchen hingen schlaff im Regen herab, anstatt zu wehen. Aber ich war schließlich nicht wegen der Sehenswürdigkeiten hier. Ich wandte mich von der Themse ab und bog in die Clothier Street ein, eine der vielen schmutzigen, feuchten Gassen Londons.
Schnell wurde mir klar, dass dieser Teil der Stadt sich erheblich von jenem unterschied, den ich in Georges Gefolge besucht hatte. Auf den regennassen Pflastersteinen lag verfaultes Gemüse und die schmalen Häuser waren schief und krumm. Überall roch es nach Eisen, was auf jede Menge Blut schließen ließ, aber ich konnte nicht erkennen, ob das auf den Mord zurückzuführen war oder einfach auf die Masse von Menschen, die hier in außerordentlich beengten Verhältnissen leben musste. Ein paar Tauben trippelten durch die Gassen, aber davon abgesehen war das Viertel völlig verlassen. Ich schauderte vor Furcht, während ich durch einen Park auf einen Pub zueilte.
Als ich in den Pub namens Ten Bells eintrat, umfing mich fast vollkommene Dunkelheit. Nur einige wenige Kerzen brannten auf den schäbigen Tischen. Ein paar Männer saßen an der Theke zusammen. In der Ecke hockten mehrere Frauen und tranken. Ihre leuchtend bunten Kleider und ausladenden Hüte wollten so gar nicht zu der düsteren Umgebung passen und ließen sie wie Käfigvögel im Zoo aussehen. Niemand schien zu reden. Nervös rückte ich den Lapislazuliring an meinem Finger zurecht und betrachtete die Reflexionen, die der Stein auf den groben Eichenboden zeichnete.
Ich schlenderte zur Theke und nahm auf einem der Hocker Platz. Die Luft war schwer und feucht. Ich öffnete den obersten Knopf meines Hemdes und lockerte meine Krawatte, um in dieser drückenden Atmosphäre Luft zu bekommen. Dann rümpfte ich angewidert die Nase. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Damon ein solches Lokal besuchte.
»S ind Sie einer von der Zeitung?«
Ich blickte auf und sah den Wirt vor mir an. Einer seiner Schneidezähne war aus Gold, ein paar andere fehlten und sein Haar stand ihm in wilden grauen Büscheln vom Kopf ab. Ich verneinte. Ich habe lediglich eine Vorliebe für Blut, schoss es mir durch den Sinn. Ein verfänglicher Scherz, wie Damon ihn gemacht hätte. Sein Lieblingsspiel war es, sich beinahe zu verraten, um festzustellen, ob irgendjemand etwas bemerkte. Was natürlich nie vorkam. Die Leute waren viel zu beschäftigt damit, sich von Damon blenden zu lassen.
»N a, Kamerad?«, fragte der Wirt neugierig und klatschte einen schmutzigen Lumpen auf die Theke, während er mich musterte. »S ind Sie nun einer von der Zeitung?«, wiederholte er.
»N ein. Und ich glaube, ich bin vielleicht am falschen Ort. Ist der Club Journeyman hier in der Nähe?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort bereits kannte.
»H a! Das soll wohl ein Witz sein? Der Journeyman ist ein richtig anständiger Verein. Zutritt nur für feine Pinkel. Nix für uns, und Sie werden da auch nicht reinkommen, nicht mal mit diesem schicken Hemd. Aber immerhin haben Sie hier die Chance, ihren Kummer in Bier zu ertränken!« Er lachte, und einer seiner Backenzähne blitzte golden auf.
»D er Club Journeyman ist also nicht in der Nähe?«, hakte ich nach.
»N ee, Kamerad. Ist in der Nähe des Strands, da, wo es all diese Shows gibt. Wo die feinen Leute hingehen, wenn sie mal über die Stränge schlagen wollen. Hierher kommen sie nur, wenn sie richtig gemein werden wollen.« Der Wirt lachte wieder und ich wandte verärgert den Blick ab. Hier würde ich Damon nicht finden. Es sei denn…
»B itte ein Bier. Ein dunkles«, sagte ich, als mir plötzlich eine Idee kam. Vielleicht konnte ich den Wirt zum Sprechen bringen und Hinweise erhalten, wer– oder was– für Mary Anns Tod verantwortlich war. Wenn es Damon sein sollte, egal ob direkt oder indirekt, würde ich ihm endlich seine längst überfällige Lektion erteilen. Ich würde ihn zwar nicht töten oder pfählen. Aber wenn es darauf hinauslief, dass er mir ausgeliefert war, würde ich ihm dann wehtun?
Ja. Ich war mir meiner Antwort sofort sicher.
»W
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