0408 - Der Drachenblut-Vampir
gewaltige Oberkörper wurde zurückgedrückt, sodass es für uns aussah, als wollte das vorsintflutliche Tier noch einmal Kraft schöpfen, um anschließend voll einzusteigen.
Der Vampir kam ihm zuvor.
Urplötzlich riss er beide Arme nach vorn. Das geschah synchron, und zusammen verließen die brennenden Stäbe seine Fäuste, die er gedankenschnell geöffnet hatte.
Die zwei brennenden Lanzen jagten dem grün geschuppten Untier mit einer fast wahnsinnigen Geschwindigkeit entgegen, sodass sie für uns aussahen wie Kometen.
Und sie trafen.
Was dann geschah, übertraf unsere kühnsten Erwartungen.
Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, eine alte germanische Sage zu erleben.
***
Vor Überraschung ging Patrick Rush einen Schritt zur Seite und schüttelte den Kopf. »Meine Güte, Suko!«, keuchte er. »Das ist sie. Das ist eine Banshee!«
Auch der Inspektor sah zum ersten Mal in seinem Leben dieses geheimnisvolle Wesen, um das sich so viele Gespräche gedreht hatten, aber er konnte es nicht richtig erkennen.
Die Banshee war einfach zu schnell. Sie huschte durch den Nebel und war zu einem dunkelgrauen Schatten geworden, der nur bei genauerem Hinsehen als Körper mit einigermaßen menschlichen Zügen zu erkennen gewesen wäre.
Suko holte tief Luft. Er hatte das Gefühl gehabt, als würde die Banshee genau auf ihn zukommen, um nach ihm greifen zu können.
Dann drehte sie sich schnell ab und jagte heulend in eine dicke, wallende Nebelwolke hinein, mit der sie eins wurde.
Alles war so schnell abgelaufen, dass die beiden Männer nicht reagiert hatten. Sie standen sprachlos da.
Nur Rush bewegte sich. Er hob dabei die Schrotflinte. Die beiden Hähne waren gespannt.
Ein Gelächter aus dem Nebel drang an ihre Ohren. So krächzend, gleichzeitig schrill und furchtbar, unterlegt mit Hohn und einer widerlichen Häme, die beide zusammenzucken ließ.
Das musste der Drachenblut-Vampir gewesen sein. Wenn ja, dann lauerte er in ihrer Nähe, wurde nur vom Nebel gedeckt und ließ sich deshalb nicht blicken.
Suko verzichtete auf seine Beretta. Er holte stattdessen eine andere Waffe hervor. Es war die Dämonenpeitsche, mit der er einen Kreis über den Boden schlug, sodass die drei Riemen hervorrutschten konnten.
Suko wartete ab.
»Nichts zu sehen!«, kommentierte Patrick und kam wieder zurück. Er hatte sich einige Schritte entfernt gehabt. Seine Gestalt wurde von den grauen Schleiern umwallt, sodass er wie ein gewaltiger Klotz in der Finsternis wirkte. »Aber es ist eine echte Banshee gewesen«, erklärte er fest überzeugt.
»Woher willst du das wissen?«
»Sie werden immer so beschrieben.«
»Als Geister?« Suko zweifelte.
»Das ist unterschiedlich. Manchmal feinstofflich, dann wieder anders, weißt du?«
Suko nickte. Er dachte darüber nach, dass die Banshee so schnell und wie ein Schatten an ihnen vorbeigehuscht war. Als wäre sie auf der Flucht gewesen.
Wenn ja, vor wem?
Suko brauchte nicht lange nachzudenken, um den Grund zu erraten. Das konnte nur der Vampir gewesen sein.
Er spürte die Trockenheit in seinem Hals und die Feuchtigkeit auf seinen Handflächen. Patrick Rush schaute auf die Dämonenpeitsche, stellte aber keine Frage. Er hatte längst erkannt, dass der Inspektor mehr Erfahrung mit Geistern hatte als er.
Eine Stimme hallte durch die graue Suppe.
Es war Helen.
»Wo seid ihr?«
Patrick schüttelte den Kopf. Er wollte ebensowenig wie Suko, dass sich seine Frau da einmischte. »Bleib bitte im Haus, Helen!«
»Wer hat da geschrien?«
»Eine Banshee!«
»Habt ihr sie gesehen?«
»Ja.«
»Gott!« Ihr Schrei klang laut durch den Nebel. »Dann wird noch jemand sterben!«
Patrick schwieg. Er schaute Suko an und nickte dabei. »Sie könnte Recht behalten«, sagte er. »Beim ersten Schrei der Banshee ist meine Mutter gestorben. Und jetzt…«
Es lag auf der Hand, dass er sich starke Sorgen machte.
Suko reagierte entsprechend. »Okay«, sagte er. »Okay, Pat. Du wirst jetzt zu Helen gehen und das Haus dann nicht verlassen!«
Der Blick des Iren wurde starr. »Und was machst du?«
Da lachte Suko leise. »Ich werde versuchen, diesen Drachenblut-Vampir zu stellen.«
»Allein?«
»Ich bin deshalb hergekommen. Vergiss das nicht. Und jetzt verschwinde, Mensch.«
Patrick hatte erkannt, dass Suko keinen Widerspruch mehr duldete. Er schaute noch kurz zu Boden, hängte dann die Schrotflinte über die rechte Schulter, nickte und ging weg.
Helen rief wieder nach ihrem Mann und erhielt von ihm eine beruhigende
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