0429 - Höllenfahrt der Templerkutsche
Nähe. Wir beide hatten das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Suko stellte dies ebenso fest wie ich. Er rutschte unruhig auf seiner Sitzbank von einer Seite zur anderen, blickte in die Runde, als würde er irgend etwas dort suchen. Aber da war nichts.
»Was ist denn?«
»John, da lauert etwas zwischen uns.«
»Das Gefühl habe ich auch.«
»Vielleicht sollten wir die Gestalten rufen.«
»Sie werden sich schon zeigen.«
Das taten sie auch.
Sehr still und auch steif saßen wir auf unseren Bänken und kamen uns vor wie Statisten, denn die Bühne befand sich um uns herum, und aus dem nicht sichtbaren Bereich tauchten sie auf.
Geisterhafte Wesen…
Sie materialisierten sich zwar, aber wir konnten sie nicht anfassen, da es nur feinstoffliche Gestalten waren, die uns umgaben.
Vier Männer…
Sie saßen dort, wo wir uns ebenfalls hingehockt hatten. Neben und zwischen uns. Sie berührten uns, obwohl wir sie nicht spürten. Sie waren Geister, die uns überdeckten.
Es dauerte seine Zeit, bis wir uns mit dieser Tatsache abgefunden hatten.
Wir sahen die Gestalten, ohne sie allerdings ansprechen zu können. Und das wiederum empfand ich als schlimm, denn ich konnte nichts dagegen tun.
Sehr vorsichtig streckte ich die linke Hand aus. Meine Finger strichen über das Gesicht eines Mannes, aber hindurch. Er rührte sich nicht.
Auch die anderen drei saßen bewegungslos und kamen mir vor, als würden sie auf die Abfahrt der Kutsche warten.
Hatte das Siegel sie tatsächlich aus dem Jenseits geholt? Oder aus einem Zwischenreich?
Ich hatte meine erste Überraschung verdaut und konnte sie genauer sehen.
Sie waren gekleidet wie Ritter, trugen Kettenhemden, Helme auf den Köpfen und auch schwere Waffen. Schwerter und Kurzschwerter steckten in den langen Gehängen.
Auch wenn sie sich bewegten, nichts klirrte. Die Waffen blieben lautlos wie ihre Träger.
Gestalten aus dem Geisterreich…
Suko räusperte sich. »Was hältst du von unserer Begleitung?« fragte er mich.
»Ich bin überrascht.«
»Kann man wohl sagen.«
»Ob sie uns verstehen?«
»Glaube ich nicht. Die benehmen sich, als würde ihnen die Kutsche allein gehören. Zudem sitzen sie fast auf unserem Schoß. Dafür spüre ich etwas.«
»Was denn?«
Es war schwer zu beschreiben. Nicht nur die zweite Haut auf meinem Körper, sondern eine gewisse Kälte, die von allen Seiten her auf mich zufloß.
Es war die Kälte des Todes, und zwar eines Todes, der schon eingetreten war und nun einen Gruß aus dem Geisterreich schickte. Wie mit langen, spitzen Fingern strich es über meine Wangen. Ich schüttelte mich, atmete unwillkürlich schneller, aber es geschah nichts. Die vier Gestalten saßen regungslos auf den Bänken.
Suko drückte sich hoch. »Da die Typen wohl nicht reden wollen, müssen wir die Initiative ergreifen.« Mein Freund mußte sich ducken, als er auf die Tür zuschritt.
Sie hatte auch von innen eine Klinke, die Suko nach unten drückte. Die Tür war verschlossen.
»Wir sind gefangen, John!«
»Das weiß ich.«
»Dann schau mal aus dem Fenster. Es hat sich einiges verändert. Jemand spielt mit uns.«
In den letzten Sekunden hatte ich daran nicht gedacht. Ich konnte durch die Scheibe sehen, weil sie relativ sauber war, und mußte Suko recht geben.
Nichts war zu erkennen - bis auf die grauweißen Schwaden, die die Kutsche umflossen.
Sie trieben von verschiedenen Seiten heran, umströmten das Gefährt schleierartig und legten sich als geisterhafte Arme auf jedes einzelne Teil. Suko nahm wieder Platz.
»Ich möchte hier nicht immer sitzen bleiben, John. Wir sollten etwas unternehmen.«
»Und was?«
»Vielleicht mit deinem Kreuz. Hol es hervor. Bring es mit dem Siegel zusammen.«
»Und wenn ich das Siegel zerstöre?«
»Haben wir Pech gehabt.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Suko, auf keinen Fall werde ich das Risiko eingehen. Ich will wissen, weshalb die Kutsche gekommen ist. Ich muß es einfach erfahren. Das ist eine Templer-Kutsche. Nicht die Zombies sitzen darin, sondern wir…«
»Und vier Geister.«
»Ist mir auch egal. Sie wird nicht für alle Ewigkeiten hier stehenbleiben, verlaß dich darauf.«
»Wenn du meinst.«
Suko hatte den Satz kaum ausgesprochen, als sich etwas tat. Durch den Wagen lief ein Ruck, als hätten die beiden Pferde den Befehl erhalten, die Kutsche in Bewegung zu setzen.
Und so war es auch.
Wir hörten noch einen dumpfen und gleichzeitig geisterhaft hohl klingenden Huf schlag, dann rasten wir davon.
Ja, wir
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