0432 - Sein Todfeind war ein flottes Girl
Burrough.
Er stutzte kurz, als er mich sah, dann lüftete er lächelnd und etwas verlegen seinen grauen Stetsonhut.
»Sehen wir uns schon wieder?« fragte er. »Ich habe Mrs. Reading einen Besuch abgestattet. Das Unglück, das sie betroffen hat, ließ mir keine Ruhe. Ich hielt es für meine Pflicht, ihr ein wenig Trost zuzusprechen.«
»Das ist sehr lobenswert«, sagte ich. »Wie hat sie es auf genommen?«
»Es ist schwer, die Gefühle der Frau zu analysieren«, meinte er vorsichtig. »Ich glaube, sie hat sich fabelhaft in der Gewalt.«
»Ich wollte nur von ihr hören, ob sich etwas Neues ereignet hat.«
»Leider nicht. Sie sitzt den ganzen Tag am Telefon, sagte sie mir. Offen gestanden fühlte ich mich da oben ziemlich fehl am Platze.«
»Mrs. Reading ist eine spröde Frau«, sagte ich. »Es kann sein, daß sie auf Mitleid keinerlei Wert legt.«
»Woher hätte ich das wissen sollen?« fragte er traurig. »Ich habe sie mir wirklich ganz anders vorgestellt —«
»Nämlich?«
»Ich dachte, sie müßte eine stille, liebenswerte Erscheinung sein — eine Dame mit bürgerlicher Prägung, wenn Sie verstehen, was ich meine. Aber sie ist ganz anders. Trocken, kühl, ablehnend. Sie entspricht nicht im mindesten dem Bilde, das ich mir von ihr machte Mr. Reading hat von ihr in einer Weise gesprochen, die mich glauben ließ, er sei mit einem Engel verheiratet.« Mr. Burrough seufzte. »Nein, diesem Eindruck entspricht sie wirklich nicht.«
Er griff erneut an den Hut. »Sie müssen mich jetzt entschuldigen. Ich fürchte, ich haße meine Frau bereits zu lange allein gelassen.«
Ich ließ ihn ziehen. Plötzlich hielt ich es nicht mehr für notwendig, mich dem stechenden Blick von Mrs. Reading auszusetzen. Das hatte Zeit bis morgen. Ich stieg in meinen' Jaguar und lenkte ihn zum Headquarter.
Dort lieferte ich die Patronenhülse im Labor ab. Ich wechselte einige Worte mit unserem Ballistiker und sagte ihm, wo er die dazugehörige Kugel finden konnte.
Da ich den Chef noch in seinem Büro vorfand, erzählte ich ihm von dem Geschehen bei den McGrowns. Wir gingen gemeinsam noch einmal alle Facts und Theorien durch, aber zu einer Lösung kamen wir nicht. Selbst ein neuer Anhaltspunkt tat sich nicht auf.
Ich fuhr nach Hause und lag schon kurz vor Mitternacht im Bett. Und es geschah tatsächlich, daß ich bis zum frühen Morgen durchpennte.
Es gab eine Menge Theorien. Und Ereignisse. Aber es gab keine Theorie, bei der sich alles wie aus einem Guß ineinanderfügte.
Ich stand auf und duschte. Nach dem Frühstück fuhr ich ins Office. Phil war mit einem Auftrag unterwegs, aber ich erfuhr, daß er etwas für mich hinterlassen hatte. Der von ihm unterschriebene Zettel enthielt nur wenige Sätze.
»Blutprobe aus Flinchs Wohnung identisch mit den in McGrowns Garage gefundenen Resten. Gruppe B, vermutlich gleiche Quelle. Lincoln wurde noch nicht gefunden. Bin gegen zehn Uhr zurück.«
Ich fertigte einen kurzen Bericht an, der die Ereignisse des Vortages festhielt, verzichtete jedoch darauf, konkrete Folgerungen zu ziehen. Dann fuhr ich zum Wettbüro von Flinch & Mc-Grown. Es war ein mittelgroßer, moderner Laden, dessen Interieur einer Bank ähnelte. Es gab einen Counter mit vielen Schaltern, an fast jedem Schalter standen wartende Kunden.
Ich musterte sie flüchtig. Die meisten sahen aus, als wären sie klüger beraten, ihr Geld für ein neues Jackett oder eine warme Mahlzeit auszugeben. Viele von ihnen waren älter als sechzig Jahre. Ihnen war nicht viel mehr geblieben als die Illusion auf einen großen Gewinn, auf eine letzte, drastische Wende zum Guten in einem bisher nutzlos vertanen Leben.
Dann sah ich am Ende einer Schlange einen Mann, den ich kannte.
Es war Mclntyre, der Taxifahrer, der Reading nach seinen eigenen Angaben zum Flugplatz gebracht hatte. Mclntyre erschrak, als er mich erkannte. »Hallo, Mr. Cotton!« sagte er unsicher und verstaute zwei Wettscheine in seiner Brieftasche.
»Fortuna ist eine Frau«, sagte ich lächelnd zu ihm. »Denken Sie daran!«
»Ich weiß, das beweist sie mir jede Woche!« erwiderte er. »Aber ich kann die Finger nicht davon lassen. Jedesmal ist's das gleiche Ergebnis: Große Hoffnungen, große Enttäuschungen! Ich komme nicht los davon. Verrückt, was? Zum Glück bin ich nicht der einzige Verrückte — das sehen Sie ja in diesem Laden! Sind Sie meinetwegen hier?«
»Ich treffe Sie ganz zufällig«, sagte ich wahrheitsgemäß.
»Wetten Sie auch?« fragte er. »Haben Sie einen
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