0442 - Der Blick ins Jenseits
hatte ich erfahren, wie der Schwarze Tod vernichtet werden konnte. Und ich hatte nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Ich, der Sohn des Lichts, von dem ebenfalls auf den letzten Seiten immer öfter die Rede gewesen war.
Nun fehlten sie, aber ich hatte dafür meinen Bumerang bekommen.
Sollte das Buch nun weitere Geheimnisse offenbaren? Hier in dieser alten Komturei, die einmal den Templern gehört hatte? Und was hatten sie überhaupt damit zu tun?
Mir selbst konnte ich die Antwort nicht geben, ich mußte abwarten, was weiterhin geschah, ob die Worte des Sehers, die er mir vor zwei Tagen mitgeteilt hatte, eintrafen.
Das Buch und der Schwarze Tod flimmerten auf dem magischen Hologramm. Manchmal blendete mich auch die blanke Sensenklinge, so daß ich den Kopf drehen mußte, wenn ich überhaupt hinschauen wollte.
Das Buch war zwar geöffnet, dennoch konnte ich keinen Blick hineinwerfen, weil es mit dem Rücken nach oben schwebte.
Aber es ging weiter.
Das magische Hologramm veränderte sich in seiner Tiefe. Dort erschien abermals ein Bild.
So etwas wie eine Straße erschien. Ein hellgrauer Schatten, der sich unter dem Buch und auch dem Schwarzen Tod befand. Dahinter oder am Ende dieser ungewöhnlichen Schattenstraße schimmerte ein Rundbogentor, das weit offenstand.
Einladend offen… Und ein Heer kleiner, blitzender Sterne umgab die schaurige Szene.
War es wirklich der Schwarze Tod, den ich sah? Wenn ja, in welch einer Zeitepoche zeigte er sich?
Ich hatte keine Ahnung, fühlte mich wie ein Schüler, der auf den Lehrer wartete, um endlich die Lösung der Aufgabe zu erfahren. Leise Schritte klangen hinter mir auf, dann stand Arlette neben mir.
»Es ist so kalt!« hauchte sie. »Ich will hier weg. Ich habe Angst.«
»Geh schon vor.«
»Und du?«
»Ich warte hier auf dich. Mir fehlen meine anderen Waffen. Hast du sie mir abgenommen?«
»Ja.«
»Wo sind sie?«
»Draußen.«
»Bitte, du mußt sie holen, Arlette! Ich brauche sie. Vor allen Dingen den Bumerang.«
Arlette ging noch nicht. Sie schaute sich vorsichtig um, als hätte sie Angst davor, beobachtet zu werden. Dann aber nickte sie und setzte sich in Bewegung.
Ängstlich wirkte sie dabei. Kein Wunder. Wer erlebte schon Dinge wie sie? Das Mädchen war praktisch ohne sein Zutun in Ereignisse hineingezogen worden, die an den Grundfesten der Welt und des Daseins rüttelten.
Für Arlette war es schwer, den Saal zu verlassen. Als sie ging, blickte sie noch einmal zurück.
Jetzt, aus der Entfernung gesehen, kam ihr die Wand noch größer vor.
Und der Mann, der gegen die Wand schaute, wirkte im Verhältnis dazu wie ein Zwerg.
Daran konnte Arlette nicht glauben. Wer so reagierte wie dieser Fremde, mußte etwas Besonderes sein.
Der Tod mit der Sense, die funkelnden Sterne, das seltsame Buch, all das schien ihn nicht zu schocken, eher zu bestätigen, und er wollte sogar dagegen angehen.
Mit seinen Waffen, die Arlette ihm auf Geheiß des Teufels abgenommen hatte. Sie konnte sich an nichts erinnern. Arlette verließ den Saal der alten Komturei und trat hinaus ins Freie, wo sie sich um keinen Deut wohler fühlte. Denn sie hatte das Gefühl, in eine noch schrecklichere Welt zu treten. Über ihr lagen dicke Wolken. Obwohl es Tag war, kam sie sich vor wie am Abend, denn die Wolken ließen keinen Sonnenstrahl mehr hindurch. Sie hatten sich zu einer dichten Mauer zusammengeschoben und wurden vom Wind bewegt, wobei sie nicht weitertrieben und über der Komturei blieben. Manchmal zuckte ein Wetterleuchten auf, das die Wolkenränder fahlgelb erscheinen ließ.
Arlette fürchtete sich. Die Mauern der alten Gebäude zu beiden Seiten und über ihr der Wolkenberg ließen die Umgebung aussehen wir ein graues Gefängnis. Zudem wehte ihr der Wind entgegen. Er war warm, trotzdem paßte er nicht zu diesem heißen Tag, denn er brachte noch einen anderen Gestank mit. Das konnte eine Mischung aus Schwefeldampf und verbrannter Haut sein.
Arlette holte tief Luft. Sie trank diesen Wind, spürte den Geruch auch als Geschmack auf ihrer Zunge, so daß ein Gefühl der Übelkeit in ihr hochstieg.
Für einen Moment kam ihr auch der Gedanke, einfach wegzulaufen.
Jetzt hatte sie die Chance, den Weg kannte sie, aber konnte sie den Mann allein lassen?
Sie wußte nicht, was zuvor geschehen war, jedenfalls ging es ihr gegen den Strich, ihn im Stich zu lassen; Aus diesem Grunde entschloß sie sich, den Auftrag auszuführen.
Er hatte von Waffen gesprochen, die hier draußen irgendwo
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