0452 - Die finstere Seele
hatte.
»Moment mal«, sagte der Parapsychologe dann, machte wieder ein paar schnelle Schritte und war noch vor den beiden Damen, die fehlende Jugend und Schönheit mit Unmengen von Schmuck auszugleichen versuchten, am Ausgang.
Er sprach sie an.
Mit ausgesuchter Höflichkeit entschuldigte er sich dafür, die beiden Damen einfach so anzusprechen, stellte sich auch höflich als Professor für Parapsychologie vor und gestand, zufällig die Unterhaltung mitgehört zu haben und sich für diese Indianerin zu interessieren, von der die Rede war.
Nicole kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. So schmalztriefend höflich und so charmant, daß es schon fast widerwärtig war, hatte sie ihren Zamorra noch nie erlebt. Der redete mit Engelszungen, schmierte den beiden Ladies pfundweise Honig um den Damenbart, und dann erfuhr er, daß diese Navajo-Hexe nur ein paar Straßen weiter in einem Mietshaus wohnte. Rabenfeder sollte sie heißen, und die jüngere der beiden Ladies hatte Rabenfeders Künste selbst schon in Anspruch genommen und schwärmte davon. »Aber natürlich steht nicht ihr Indianername an der Türklingel…«
»Also, wie heißt sie dann offiziell?« wollte Zamorra wissen.
Das konnte ihm die Lady nicht verraten. Auch nicht, welches Haus das war, das vierte oder das fünfte in der Straße, denn diese Wohnsilos sahen doch alle gleich aus.
»Bitte, Ma'am, versuchen Sie doch noch einmal, sich zu erinnern… es ist wichtig!«
»Warum?« wollte die Dame wissen.
Da kam der Taxifahrer herein. »Möchten Sie sich jetzt dafür entscheiden, einzusteigen, meine Damen? Andernfalls nehme ich zwischenzeitlich noch einen anderen Auftrag an…«
»Oh, verzeihen Sie! Wir waren so im Gespräch vertieft, daß wir an Sie gar nicht mehr gedacht haben… und Sie, Professor, entschuldigen uns jetzt sicher. War nett, Sie kennengelernt zu haben.«
Nicole kam zu ihm. »Glaubst du im Ernst, daß diese Rabenfeder die Frau ist, die wir suchen müssen, wenn wir Gryf finden wollen?«
Zamorra nickte. »Komm, wir laufen eben hinüber und schauen uns diese Häuser mal an.« Er zog Nicole einfach an der Hand hinter sich her.
Er hoffte, daß seine Vermutung stimmte. Wenn nicht, hatten sie Pech, denn dann gab es keine Möglichkeit mehr, die Spur aufzunehmen.
Eilig schritten sie aus, um die angegebene Straße zu erreichen.
Über ihnen am brütend warmen Nachthimmel waren keine Sterne zu sehen. Die Smog-Glocke, die über Baton Rouge lag, verhinderte es.
***
Magnus Friedensreich Eysenbeiß starrte das Blatt Papier an, das er in Trance beschrieben hatte, und las den Text wie etwas Fremdes.
Er hatte Robert Tendykes Zukunft gesehen?
Aber diese Zukunft zeigte ihn nicht mehr in den Reihen der Zamorra-Crew? Tendyke ging einen anderen Weg, kämpfte allein gegen Asmodis und stellte sich schließlich auch gegen Zamorra?
Das war unglaublich, aber Eysenbeiß hatte die Bildsequenzen deutlich gesehen, die auf ihn einstürzten. Aber er konnte nicht sagen, wie nah oder wie fern diese Zukunft war, die Tendyke und Zamorra einander entfremdete und sie zu Gegnern machte, und er hatte auch Tendykes Beweggründe nicht erfassen können.
Unwillkürlich lächelte Eysenbeiß. Dieses Wissen konnte zu einer Zeitbombe werden! Er mußte es nur richtig einsetzen. In Gedanken klopfte er sich selbst auf die Schulter, die Indianerin übernommen zu haben. Mit ihren schwachen Para-Fähigkeiten war ihr Körper die beste Basis für ihn, in die Zukunft sehen zu können und zum Propheten zu werden!
Wissen war schon immer Macht gewesen, und diese Macht konnte er ausspielen, um mit einer neuen Identität in den Kreisen der Dämonen wieder ein beherrschender Faktor zu werden und schließlich mit denen abzurechnen, die ihn seinerzeit gemeinsam mit Leonardo zum Tode verurteilt und hingerichtet hatten - Astaroth und Astardis, die beiden Erzdämonen!
Gleichzeitig konnte er aber unter den Menschen als Seher, dessen Prophezeiungen immer eintrafen, jede Menge Geld verdienen und sich auch hier eine gewaltige Position schaffen.
Ihm gefiel, was er in dieser Vision gesehen hatte. Daß die Zamorra-Crew auseinanderbrach, war nach Tendykes Abkehr dann nur noch eine Frage der Zeit. Und wenn es schon morgen den Druiden Gryf nicht mehr gab, war das eine weitere Schwächung des Dämonenjägers Zamorra.
Gryf!
Um ihn mußte er sich allmählich kümmern. Eysenbeiß-Rabenfeder sah neben indianischen Kunstgegenständen auch einen Dolch mit kunstvoll geschnitztem Griff an der Wand hängen.
Er nahm
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