046 - Drakula lebt
daß ich recht hatte. Aber er würde zögern, bis es zu spät war.
„Was nun?“ fragte ich nach einer Weile, als Hartwig zurückkam. Er hatte etwas mit einigen seiner Männer besprochen.
„Wir werden Fräulein Rothenberg von hier fortbringen“, erklärte er.
Ich atmete auf, während sie aufbegehrte. Doch der Inspektor schnitt ihr das Wort ab. „Und Sie ebenfalls.“
Ich starrte ihn entgeistert an. „Haben Sie sich das auch genau überlegt?“ stieß ich hervor.
„Haargenau“, bestätigte er. „Ich werde kein Risiko eingehen.“
„Für den Fall, daß etwas Wahres an meiner Geschichte ist?“
Er nickte. „Sie werden in Sicherheit sein und telefonisch erreichbar, wenn ich Ihren Rat benötigen sollte. Inzwischen können wir hier in aller Ruhe unsere Nachforschungen anstellen.“
„Glauben Sie? Lukard müßte verrückt sein, wenn er nicht …“
„Wir werden vorsichtig sein“, unterbrach er mich entschlossen.
„Sie haben Fehler gemacht“, warnte ich ihn.
„Lukard auch“, erwiderte er.
„Harry“, mischte sich Barbara in das ohnehin bereits sinnlos gewordene Gespräch, „er hat recht. Du kannst nichts tun!“
„Verdammt! Vielleicht bin ich aber neugierig!“ rief ich.
„Wir halten Sie auf dem laufenden. Sie sind auch gar nicht in der Verfassung, uns physisch eine allzu große Hilfe zu sein. Sie brauchen Ruhe und Betreuung.“ Er lächelte. „Ich bin sicher, die werden Sie haben. Und auf Ihre geistige Unterstützung werden wir via Telefon zurückgreifen.“
Resigniert und auch ein wenig erleichtert darüber, daß die Dinge aus meinen Händen genommen waren, zuckte ich mit den Schultern. Wenn ich nicht so müde gewesen wäre, so am Rande einer lauernden Übelkeit …
Ich lebte noch, und ich hatte Barbara. Das sollte wenigstens für den Augenblick reichen. Vielleicht hatte er recht. Vielleicht sollte ich mich ein oder zwei Nächte irgendwo verkriechen und Kräfte sammeln. Im Augenblick war nicht viel los mit mir.
„Wenn Sie Morton schnappen, Inspektor, dann lassen Sie ihn wieder laufen. Schicken Sie ihn zu mir, aber so, daß niemand seiner Spur folgen kann. Wenn ich mich schon verkriechen soll, dann will ich wenigstens sicher sein. Morton handelt in meinem Auftrag, als Angestellter der Detektei Fuchs.“
„Sicher“, stimmte Hartwig zu. Aber es klang so, als würden sie ihn erst ein wenig in die Zange nehmen. Na, viel konnten sie ihm nicht anhängen.
Er erhob sich. „Dann los“, meinte er. „Während der Fahrt können Sie mir noch mit ein paar Details aushelfen. Möller wird Notizen machen.“
„Wohin geht die Fahrt?“
„Das erfahren Sie noch früh genug. Fräulein Rothenberg, wir haben für Ihren Vater eine Nachricht hinterlassen.“
„Ich muß unbedingt noch in mein Büro“, erklärte ich. „Dort liegen einige Bücher. Ich denke, die werden uns noch von großem Nutzen sein.“
„Also gut.“
Bevor wir das Haus verlassen konnten, meldete sich einer der Männer unten auf der Straße aufgeregt im Sprechgerät.
„Ein Mann verläßt das Gebäude“, krächzte die Stimme, und meinte offenbar die Klinik.
Der Inspektor sah mich bedeutungsvoll an. Er beugte sich über das Mikrofon.
„Können Sie erkennen, wer es ist?“
„Noch nicht. Er kommt auf das Tor zu. Jetzt … jetzt ist er zu erkennen. Es ist dieser Doktor… “
„Lukard?“ fragte Hartwig.
„Nein, Fellner. Jetzt hat er die Straße erreicht. Niemand folgt ihm aus dem Gebäude. Er geht in Ihre Richtung, Inspektor.“
„Gut, wir werden ihn empfangen. Behalten Sie ihn im Auge.“ Er schaltete ab. „Kommen Sie, Fuchs. Da unten spaziert eines Ihrer sogenannten Beweisstücke.“
Wir hasteten die Stiegen hinunter.
Er kam ein wenig ungelenk die Straße herab, und ich hatte ein ungutes Gefühl dabei. Etwas stimmte nicht mit ihm. Einer der Polizisten tauchte fünfzig Meter hinter ihm auf, blieb aber zurück, als er gewahrte, daß wir bereits auf der Straße standen.
„Haben Sie eine Waffe?“ fragte ich Hartwig reichlich nervös.
„Kugeln nützen nichts. Haben Sie selbst gesagt“, erwiderte er trocken.
Ich fühlte Barbaras Hand an meinem Arm.
Dann stand Erik vor uns, und es war müßig, noch weiter herumzugrübeln, was mit ihm nicht stimmte. Es würde sich gleich zeigen.
„Na, das sind sie ja alle beisammen“, sagte Erik irgendwie mühsam.
Mir fiel auf, daß er nicht lächelte. In seinen Augen war nichts von jener seelentröstenden Beruhigung, die ich an ihm so gut kannte. Er war bleich. Er
Weitere Kostenlose Bücher