0486 - Die Voodoo-Hexe
Nachtmenschen sein, wie sie es war. Ansonsten hätten sie sicher von sich aus allein der einsetzenden Müdigkeit wegen viel eher zum Aufbruch geblasen.
Überhaupt - jetzt, am Tag danach, begann Desiree sich über die Eile zu wundern, die dieser Professor an den Tag legte. Kaum hatte er einen Teil der Sendung gesehen, als er auch schon unbedingt und ohne Verzögerung mit Desiree sprechen wollte! Warum hatte er sich nicht vertrösten lassen wollen?
Eine Gefahr wie ganz zu Anfang sah sie zwar in ihm immer noch nicht wieder, aber merkwürdig war sein Verhalten schon. Was also hatte er bezweckt?
Desiree betrat das Bad. Da sah sie die Handtücher, die von ihren beiden Besuchern nach dem kräftigen Regenguß benutzt worden waren. Plötzlich durchzuckte sie ein Gedanke. Desiree betrachtete die Handtücher näher. Sie fand ein paar Haare an jedem Tuch. Natürlich! Ein paar bleiben immer haften, sogar bei Menschen, die eigentlich nicht unter Haarausfall leiden.
Desiree pflückte die Haare aus den Frotteetüchern, sorgfältig voneinander getrennt, und hielt sie gegen das Licht. Da schimmerte es dunkelblond, daß mußte der Professor gewesen sein, dort funkelte es hellblond. Das war seine Sekretärin Duval. Desiree legte die Haare in zwei Briefumschläge und versah sie mit den Namen der Besucher. Sie wußte nicht, ob sie diese Haare irgendwann benutzen konnte oder mußte, aber auf diese Weise war sie wenigstens für alle Fälle gewappnet.
Manchmal waren doch die scheußlichsten Wetterverhältnisse noch für irgend etwas gut…!
Ehe sie sich nun daran machte, den Nachbarn ihr tägliches Durchschnittsleben zu demonstrieren, stach sie noch einmal eine in der Kerzenflamme erhitzte Nadel in die Wachsfigur Thoronars, drehte sie diesmal einige Male hin und her. Jedesmal ein bißchen stärker und schmerzhafter, war ihre Devise. Thoronar sollte nicht mehr zur Ruhe kommen.
Niemals wieder.
Als sich Thoronar vor Schmerzen zusammenkrümmte, neben Stygia zusammenbrach und wild um sich schlagend seine Qual in die Hölle hinausschrie, versuchte die Fürstin der Finsternis sofort, die fremde Kraft zu erfassen und ihr nachzuspüren. Aber es gelang ihr nicht. Als der Angriff vorüber war und Thoronar japsend aus ihrer unmittelbaren Nähe kroch, war sie so schlau wie zuvor.
Sie hatte nicht das Geringste erreicht.
Einmal mehr zeigte sich, daß es mit ihren Fähigkeiten nicht sonderlich weit her war. Sicher, sie war stark und verfügte über eine Menge verblüffender magischer Tricks, welche sie jederzeit anwenden konnte. Aber in ihrer jetzigen Position hätte sie wesentlich mehr gebraucht.
Sie hoffte nur, daß niemand sonst auf die Angriffe aus dem Nichts aufmerksam geworden war und ihr Versagen dem unbekannten Gegner gegenüber bemerkte. Erst recht nicht Lucifuge Rofocale. Hoffentlich war LUZIFERs Ministerpräsident mit anderen Dingen beschäftigt, die ihm keine Zeit ließen, sich um diese Geschehnisse hier zu kümmern.
Stygia hoffte auch, daß Astaroth Erfolg hatte und ihr die richtige Spur zeigte. Dann konnte sie vielleicht gezielt etwas unternehmen.
Bis dahin konnte sie nur noch abwarten. Sie kam nicht an den unsichtbaren Feind heran, obgleich sie seinem Opfer doch so nahe war!
Mitleidlos starrte sie Thoronar an. Sie konnte noch nichts für ihn tun.
***
Nicole hatte bis zuletzt gehofft, daß Zamorra sie doch noch nach St. Etienne begleiten würde, aber dann machte er seine Ankündigung wahr und vergrub sich tatsächlich in der Bibliothek. Genauer gesagt, er suchte sein Arbeitszimmer auf und rief die gesuchten Informationen über das Computerterminal ab. Der größte Teil der phänomenalen Schriftensammlung war längst in der EDV gespeichert. Früher mußte so etwas mühsam per Tastatur eingegeben werden, was Nicole oft genug wunde Finger beschert hatte. Inzwischen hatte wesentlich modernere Technik Einzug gehalten; ein hochauflösender Handscanner las nicht nur Zeitungstexte ein, sondern auch uralte, schon fast bei der Berührung zerfallende und vergilbende Buchtexte, die auf diese Weise gerettet werden konnten. Erfahrung machte auch klug; mittlerweile wurden sämtliche Daten grundsätzlich mehrfach kopiert und die Dateien auf Disketten ausgelagert teilweise vorsichtshalber auch außerhalb des Châteaus. Sollte es also noch einmal zu einer solchen Zerstörung kommen, wie sie vor ein paar Jahren erfolgt war, als Leonardo deMontagne durch die Zeitreise den weißmagischen Schutzschirm um das Château gewissermaßen unterlaufen
Weitere Kostenlose Bücher