0493 - Janes Umkehr
sie nur mal eben von den Bewohnern verlassen worden.
Mein Weg führte mich auch in die obere Etage und unter das Dach, wo sich die Bücherei und die Videothek befanden. Hier saß Lady Sarah am liebsten, doch jetzt war der große, ausgebaute Raum leer.
Verlassene Häuser können schon unheimlich oder deprimierend wirken, auch wenn die Einrichtung vorhanden ist.
Ich hatte ein wenig Furcht davor, in den Keller zu gehen. Nicht weil ich die engen Räume fürchtete, mir ging es allein um Janes Handlungsweise. Sie hatte mir einen Abschiedsbrief geschrieben. Wie aber hatte sie sich Lady Sarah gegenüber verhalten? Ich konnte mir gut vorstellen, daß Lady Sarah versucht hatte, sie zurückzuhalten. Da Jane wegwollte und es auch geschafft hatte, konnte es durchaus möglich sein, daß Sarah mit Gewalt daran gehindert worden war.
Wie immer quietschte die Kellertür ein wenig, als ich sie öffnete. Lady Sarah empfand dieses Geräusch als so »schön gruselig«, mich störte es eher.
Von der Steintreppe kannte ich jede Stufe. Noch in diesem Jahr wollte Sarah den Keller streichen lassen. Er hatte es mal wieder nötig, die Decken waren grau geworden, und in den Ecken schimmerte manches Spinnennetz.
Ich durchsuchte die Kellerräume, ohne eine Spur zu finden. Lebensmittel, Wein, alte Möbel, das fand ich, nur Lady Sarah Goldwyn nicht, die ich unbedingt sprechen wollte.
Sehr nachdenklich stieg ich die Treppe wieder hoch und hatte die Kellertür soeben geschlossen, als das Telefon anschlug. Das Klingeln erklang aus dem Wohnraum.
Einen Moment zögerte ich noch, dann ging ich hin, nahm ab und meldete mich mit einem vorsichtig gesprochenen »Ja bitte?«
»Oh, entschuldigen Sie bitte, da muß ich mich verwählt haben«, sagte eine Frauenstimme.
»Nein, Sarah, das hast du nicht.«
Eine kurze Pause entstand. Dann fast ein Aufschrei. »John - du?«
»Ja, wer sonst?«
»Großer Himmel.« Sie verschluckte und verhaspelte sich. »Was machst du denn in meinem Haus?«
»Ich suche dich.«
»Das kann ich mir vorstellen. Also, mir ist etwas passiert. Zunächst einmal muß ich dir sagen, woher ich anrufe. Aus dem Krankenhaus. Ich bin im Middlesex-Hospital.«
»Was bist du?«
»Ja, aber es geht mir nicht schlecht, obwohl ich auch hätte tot sein können, denn auf mich wurde ein Mordanschlag verübt.«
Das war ein Hammer, und ich setzte mich erst einmal. »Ein Mordanschlag?« hauchte ich. »Doch nicht etwa Jane?«
Sarah Goldwyn lachte. »Wie kommst du denn auf sie?«
Trotz der schlechten Nachricht fiel mir ein Stein vom Herzen. »Ich meine, weil Jane verschwunden ist.«
»Sie hat das Haus verlassen?«
»Ja, sie ist weg. Für immer, verstehst du? Sie hat mir einen Abschiedsbrief geschrieben.«
Jetzt war Lady Sarah still. Ich hörte nur ihr scharfes Atmen. »John«, flüsterte sie nach einer Weile.
»Mein Junge, sag, daß es nicht wahr ist.«
»Leider stimmt es.«
»Gütiger Himmel, dann war es kein Zufall. Es hängt alles irgendwie zusammen. Ich habe es gespürt.«
»Was gespürt?«
»Die Frau mit der Sonnenbrille, die mich verfolgte. Sie tauchte dann direkt in meiner Nähe auf, als ich die Sloane Street überqueren wollte. Sie hat mich vor einen Wagen gestoßen. Ich hatte wirklich Glück, daß ich auf die Haube fiel und nicht von den Reifen überrollt worden bin. Ich werde sofort kommen.«
»Lassen dich die Ärzte denn laufen?«
»Keine Angst, dafür werde ich schon sorgen! Wartest du auf mich, mein Junge?«
»Ja.«
»Bis bald dann. Taxis gibt es hier genug.«
Ich legte auf und starrte den Hörer an, der mit einem Schweißfilm bedeckt war. Mittlerweile hatte ich das Gefühl, ein Netz würde über uns allen liegen, das von einem bisher noch unbekannten Regisseur immer enger zusammengezogen wurde.
Jane war verschwunden, Lady Sarah hatte nur mit Mühe einem Mordanschlag entgehen können, eine Hexe tötete sich selbst vor meinen Augen - so etwas mußte einfach zu einer schwarzmagischen Quelle führen und in die Katastrophe.
Wie ging es jetzt weiter?
Ich wußte es nicht, blieb im Sessel hocken, rauchte und starrte ins Leere…
***
Er war smart, er war erfolgreich, dazu Junggeselle, er hatte Geld, fuhr einen teuren Wagen und war schon mit 32 Jahren Inhaber einer gutlaufenden Anwaltspraxis.
Was wollte man mehr?
Jerry Stern jedenfalls war zum Millionär geworden. Eine blitzsaubere Karriere, an die er vor einigen Jahren nicht zu hoffen gewagt hätte, denn seine Noten waren nicht berauschend gewesen.
Aber nach der großen
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