0497 - Die Fledermenschen
geben, der diese großen Blumen regelmäßig begoß.
Aber davon hätte Bryont etwas wissen müssen.
An Sir Henry, der hier spuken sollte, dachte sie in diesem Moment nicht.
Sie hatte ohnehin Schwierigkeiten, die Blumen als real zu akzeptieren. Außerdem war da noch Don Cristofero, der ihr seinen Arm anbot, um sie zu den Sitzmöbeln zu geleiten. »Wahrlich, Mylady, wenngleich diese Blumen vor Eurer Schönheit neidvoll erblassen, muß man doch bekennen, daß es sich um wahre Prachtstücke handelt. Wie mögen sie hierher gelangt sein? Zu meiner Zeit bin ich nie auf sie gestoßen, doch jetzt, nach meiner unfreiwilligen Reise in die Zukunft, welche jener tolpatschige Troll dort verschuldete, sehe ich sie immer häufiger. Euren glänzenden Augen wage ich zu entnehmen, daß Ihr dieser zauberhaften Gewächse nie zuvor ansichtig wurdet?«
Patricia nickte nur.
Ein paar der Lampen waren um die Blumen herum aufgestellt. Bei jedem Flackern veränderte sich der Farbschimmer, und während Patricia sich den Blüten näherte und dabei ständig ihre Betrachterperspektive veränderte bzw. verkürzte, durchwanderten die Blütenblätter nahezu das gesamte Farbspektrum des Regenbogens.
»Ich kann es kaum glauben«, flüsterte sie und konnte jetzt Don Cristofero gut verstehen. An seiner Stelle hätte sie sich wahrscheinlich auch genau hier häuslich eingerichtet, um sich in das wunderbare Farbenspiel zu versenken. »Wie ist das möglich, daß solche Blumen hier wachsen? Was sind das für Pflanzen?«
Dumpf drang in ihr Bewußtsein, was Cristofero eben gesagt hatte… sehe ich sie immer häufiger! »Woher kennt Ihr diese Blumen, Don?«
Er lächelte. »Im Château Montagne sah ich welche, und im römischen Haus von Zamorras bürgerlichem Freund Ted Ewigk, welcher ungeachtet seiner niedrigen Abstammung sich erdreistet, jenes Haus einen Palast zu nennen. Palazzo Eternale… aber wir sprachen von den Blumen. An beiden Orten befinden sie sich in unterirdischen Räumen, und über ihnen schwebt ein zauberisches Licht, so hell wie die Sonne. Hier fehlt dieses Licht scheinbar, und doch wachsen sie. Ich sah diese prachtvollen Gewächse indessen auch in allergrößter Zahl auf einem Felde wachsen, das mit nichts anderem bestellt war als mit jenen Blumen. Doch dies war in einer anderen Welt.«
»Was für eine andere Welt?« fragte Patricia mit großen Augen.
Cristofero winkte ab. »Ach, eine garstige fremde Welt mit übelwollenden Bewohnern. Stellt Euch vor, sie wollten mich und meinen unwürdigen Diener ermorden. Und mit Professor Zamorra hatten sie nichts anderes vor, diese dreisten Gesellen. Doch wir haben’s ihnen gezeigt! Heldenhaft fochten wir uns den Weg frei, zurück in diese Welt, doch um ein Haar hätte man uns alle um mindestens eine Kopfeslänge kürzer gemacht. Diese Barbaren…« [3]
Patricia näherte sich den Blumen. Es fiel ihr schwer, in Cristoferos Erzählung nicht nur eine erfundene Geschichte zu sehen. Daß es andere Welten gab, daß es eine Hölle gab, in der Dämonen lebten, das hatte sie mittlerweile begriffen. Zamorra erzählte oft davon, und erst vor noch gar nicht langer Zeit war Bryont in die Hölle entführt und dort um ein Haar getötet worden. Im buchstäblich letzten Moment war es Professor Zamorra gelungen, ihn zu retten. [4]
Patricia sah deutlich einen dieser teuflischen Dämonen vor ihrem geistigen Auge.
»Diese Blumen«, versicherte Don Cristofero, »sind das Tor in eine andere Welt. Ich kann Euch zeigen, wie man dorthin gelangt. Ich seh’ Euch doch an, daß Ihr an meinen Worten zweifelt. Wartet, ich werd’s Euch beweisen, Mylady. Gestattet…«
Schon griff er nach ihrem Arm und zog sie mit sich, zwischen die Blumen.
»So wartet, Gebieter!« schrie der Gnom und eilte heran. »Ihr wißt doch gar nicht, wohin…«
Wie von der Kanonenkugel abgefeuert, fegte er heran, erreichte seinen Herrn und Lady Patricia, und im gleichen Moment verschwanden alle drei zwischen den Blumen, als habe es sie niemals gegeben.
Sie befanden sich nicht mehr auf der Erde.
***
Sir Bryont kannte Nicoles Abneigung gegen Don Cristofero. »Keine Sorge, du wirst ihm hier nicht mehr begegnen. Ich habe ihn nach Caer Spook ausquartiert, Nicole. Ihr könnt also euer Zimmer im Pub aufgeben und bei mir logieren, weil der Dicke so schnell nicht wieder hier Einlaß findet. Außerdem hat Ulluquart mit Sicherheit in der letzten Zeit schon genug an uns allen verdient.«
»Spooky-Castle?« hakte Zamorra ein. »Ist das nicht diese Ruine, in
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