0502 - Die Disco-Hexe Tessy
mein Sohn!«
***
Bevor Mike Fox irgend etwas Falsches tat, sprach ich ihn an. »Nicht, Mike, rühren Sie sich nicht. Tun Sie nichts, ich bitte Sie. Bleiben Sie, wo Sie sind!«
»Aber…«
»Auch kein Aber. Das ist meine Sache. Rühren Sie sich nicht und sprechen Sie ihn auch nicht an. Vermeiden Sie jede hastige Bewegung. Wir werden sehen, ob Susan auch bemerkt hat, wer da zu ihr gekommen ist. Sie müßte es eigentlich.«
»Ja, das meine ich auch.«
So gern ich auf das Bett zugegangen wäre, auch ich hielt mich zurück, trat nur mehr einen Schritt nach rechts, um einen besseren Blickwinkel zu bekommen.
Das Mädchen lag auf dem Rücken. Es schien sich überhaupt nicht bewegt zu haben, aber ich konnte erkennen, daß es die Augen geöffnet hatte.
Susan mußte schlafen und ihn trotzdem sehen. Aber sie rührte sich nicht und blieb weiterhin liegen, als hätte man sie gefesselt.
Was fühlte sie jetzt?
Mein Blick glitt wieder hin zu der gespenstischen Gestalt des jungen Mannes.
Der Geist stand ruhig da, obwohl er innerlich voller Unruhe steckte. Er zitterte, er vibrierte, als würde sichtbarer Strom durch die Gestalt fließen.
Ich hatte zwar keine Furcht vor dieser Gestalt, dennoch war sie für mich ein fremdes Wesen. Ich besaß zwar viele Erfahrungen, dennoch war ich mir nicht sicher, wie ich mich ihr gegenüber verhalten sollte. Wenn ich sie erschreckte, würde sie sich möglicherweise zurückziehen und nie wieder erscheinen.
So tat ich zunächst einmal nichts und wartete nur ab, was sie vielleicht unternahm.
Zunächst einmal nichts.
Susan und Kid schauten sich an. Auch das Mädchen spürte keine Furcht. Es tat nichts, um die Gestalt zu vertreiben, und Kid beugte sich plötzlich vor.
Er senkte dabei nur den Kopf. Dann begann er zu sprechen. Es war keine normale Stimme, die durch den Raum schwang, eher ein geflüsterter Hauch, der seidenweich meine Ohren traf.
»Hol mich hier raus, Susan. Hol mich raus! Ich… ich bin in der Hölle. Sie hat mich in die Hölle gezerrt …«
Jetzt hoffte ich, daß Susan richtig reagierte. Sie wußte uns in ihrer Nähe, sie konnte etwas tun, sie mußte es einfach, sonst hatte alles keinen Sinn.
»Ich will es versuchen…« Pause. »Aber wie soll ich es machen? Sag mir wie?«
»Der Sarg, nur der Sarg. Gefährlich. Sie alle sind gefährlich. Monstren. Sie wollen Menschen… sie töten …«
»Was muß ich tun?«
»Geh zu ihr. Tessy ist eine Hexe. Der Sarg, du mußt… aber gib acht. Nur unsere Liebe kann es schaffen. Nur durch Liebe kannst du mich erlösen, durch Liebe …«
»Wo ist dein Körper?«
» Sie haben ihn. Sie wollen ihn behalten. Ich habe aber die Grenzen überwinden können. Geist und Körper trennten sich. Die Hölle hat viele Gesetze…«
»Gibt es Tessy noch?«
»Sie und die anderen. Die Monster sind unterwegs. Sie wollen nicht, daß ich mich spalte. Sie suchen mich… sie sind nahe. Ich muß wieder zurück. Bitte, es liegt an dir. Nur du kannst die Grenzen überwinden. Durch Liebe, nur durch Liebe …«
Schon bei den letzten Worten war seine Gestalt noch durchscheinender geworden. Als er verstummte, löste er sich auf, als wäre er von einem Windstoß fortgeblasen worden.
Es gab ihn nicht mehr…
Ich ging näher an das Bett heran und sah, wie dem Mädchen langsam die Augen zufielen. Susan schlief ein. Sie würde ihr Erlebnis mit in den Schlaf oder den Traum nehmen.
Mike Fox drehte sich um. Sein Gesicht war schweißnaß. In den Augen stand noch immer der Schrecken über das Unfaßbare. Langsam hob er die Schultern. »Ich… ich kann es nicht begreifen. Habe ich geträumt oder tatsächlich meinen Sohn als Gespenst gesehen?«
»Es war ein Gespenst.«
Über seine Haut floß ein Schauer. »Unwahrscheinlich, daß es so etwas gibt. Daran hätte ich nie gedacht.« Er ließ sich schwer auf einen Stuhl sinken.
Ich gab ihm Zeit zur Erholung. Für einen Vater, wie er es war, mußte es furchtbar gewesen sein, mit dem Geist seines nicht gestorbenen Sohnes konfrontiert zu werden. Das verkraftet man so leicht nicht, wenn man ein Mensch mit Gefühlen ist.
Er saß da und schüttelte immer wieder den Kopf. Manchmal hob er auch die Schultern, eine Geste, die seine Hilflosigkeit anzeigte. Er wußte nicht, wo er weiterdenken sollte.
Ich trat an das Bett, weil ich mich auch um Susan Holmes kümmern wollte.
Sie schlief.
Diesmal war von einer Unruhe nichts zu spüren. Susan hielt die Augen geschlossen, lag auch weiterhin auf dem Rücken und atmete ruhig. Ich glaubte
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