0506 - Das unheimliche Grab
Blick glitt hinaus in den herrlichen Morgen mit dem blauen Himmel. Aus der Ferne grüßten die Hochgebirgsketten. Schneefelder lagen wie weißgraue Tupfer noch in der Nähe der zackigen Gipfelgrate.
Direkt hinter dem Fenster lag der Parkplatz, wo einige Fahrzeuge standen. Der große Lastwagen störte, da war ich ehrlich. Lange würde er auch nicht mehr bleiben.
Die Wirtin persönlich kam lächelnd an meinen Tisch und erkundigte sich, ob es mir schmeckte.
»Es ist in Ordnung.«
»Werden Sie auch satt, oder soll ich noch etwas bringen?«
»Nein, danke, es ist genug da.«
»Dann weiterhin guten Appetit.«
Den hatte ich auch. Das Ei schmeckte noch nach Ei und nicht nach Fisch. Der Kaffee besaß gerade die richtige Stärke und machte mich mobil.
Das war eine Landschaft, die zum Urlaubmachen einlud. Besonders an so einem herrlichen Herbsttag wie diesem. Die Sonne stand voll am Himmel. Ihr Schein fiel wie eine gewaltige Glocke über das Land. Es war einfach wunderbar und ließ keinen Gedanken an Tod, Grauen oder Horror aufkommen.
Leider würde uns dies nicht erspart bleiben.
Nach dem Ei schnitt ich die Semmel auf. Sie duftete noch ofenfrisch. Ja, so mußte das sein. Schinken lag bereit. Ich legte ihn doppelt – es war genug da.
Zur Hälfte hatte ich das Schinkenbrötchen verspeist, als Will Mallmann erschien. Wie der Kommissar auftauchte, ließ direkt das Mißtrauen in mir wachsen.
Er kam nicht lässig wie ein Urlauber, er wirkte gehetzt und schaute sich auch ebenso um.
Ich winkte ihm zu.
Mit raschen Schritten eilte Will mir entgegen, sah mein Lächeln, doch sein Gesicht blieb ernst.
»Verdammt, John, du sitzt hier und frühstückst, während Dimitrou verschwunden ist.«
Mir blieb der Bissen fast im Hals stecken. Rasch trank ich einen Schluck Kaffee.
»Hörst du mir überhaupt zu?«
»Sicher.«
»Und was sagst du?«
»Er wird einen morgendlichen Spaziergang unternommen haben. Kein Grund zur Panik.«
»Das würde ich auch so sehen, John, wenn nicht eine Leiter an Dimitrous Balkon lehnen würde.«
Jetzt wurde es mir doch leicht mulmig. Ich stand auf und vergaß das gute Frühstück. »Tatsächlich?«
»Ja, komm mit.«
Die anderen Gäste und auch die Wirtin wunderten sich darüber, daß wir so schnell den Frühstücksraum verließen. Über die Holztreppe ging es hoch bis in die erste Etage.
Will betrat Dimitrous Zimmer als erster. Er lief durch bis zum Balkon. Auch ich quetschte mich hinter den Kommissar, entdeckte die Leiter, den Tisch, den Stuhl, die Bierflasche und den Flachmann.
»Jetzt bist du an der Reihe, John!«
»Da haben wir wohl beide geschlafen.«
»Und das noch mit den Hühneraugen.«
»Was kann Dimitrou überhaupt dazu verleitet haben, sein Zimmer auf diese Art und Weise zu verlassen?«
»Keine Ahnung.«
Ich dachte nach. »Vielleicht hat er uns gewisse Dinge verheimlicht.«
»Daran habe ich auch schon gedacht.« Will ballte vor Wut die rechte Hand. »Wie können wir ihn zurückholen? Außerdem, wo kann er sich versteckt haben, oder wo kann er hingegangen sein? Er kennt doch niemanden in diesem Ort.«
»Weißt du das genau?«
»Nein, das ist es eben.«
»Mir ergeht es auch so. Irgend etwas ist an der Sache faul, sogar mehr als das.«
»Wenn jemand verschwindet«, sagte der Kommissar, »muß er einen Grund haben, ein Motiv. Kannst du das aus den Spuren hier vielleicht erkennen?«
»Nein.«
»Ich auch nicht.«
»Er ist wohl in der Nacht verschwunden«, murmelte ich. »Ob es Zeugen gibt?«
Mallmann schüttelte den Kopf. »Nein, wenn jemand sich in der Dunkelheit an die Rückseite eines Hauses heranstielt, kann er sicher sein, nicht gesehen zu werden.«
»Sagt man hier in Bayern nicht fensterln?«
»Ja.« Der Kommissar nickte. »Nur hat das Wort jetzt einen bitteren Beigeschmack für mich bekommen.«
»Er ist weg!« stellte ich fest, ging wieder zurück in das Zimmer und schaute mich dort um.
Spuren gab es keine. Alles wirkte normal, so daß an eine Entführung nicht zu denken war. Das sagte auch der Kommissar. »Meiner Ansicht nach ist er freiwillig mitgegangen.«
»Glaube ich auch.«
»Und wen kannte er hier in der Gegend oder kennt er noch?«
»Frag mich was Leichteres, Will.«
»Dann weiß ich auch nicht weiter.«
»Wir können uns trotzdem noch mit der Wirtin unterhalten. Sie weiß doch, daß wir Polizisten sind?«
»Ja«, stimmte Will zu.
Wir fanden sie in der Rezeption, wo sie die eingetroffene Post in die Regale verteilte.
»Sie sind aber schnell
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