051 - Die gelbe Schlange
vorwegzunehmen und Sie fragen, warum Sie in so glänzender Aufmachung unterwegs sind - aber ich nehme an, daß Sie unseren Freund Narth besucht haben.« Und dann plötzlich: »Sie haben doch nicht etwa Fing Su getroffen?«
»Doch.« Joan nickte. »Ich habe ihn gesehen. Ich hatte heute morgen eine Unterredung mit ihm.«
»Zum Teufel, das haben Sie getan!«
Wenn er ärgerlich war, konnte er seine Gefühle nicht verbergen.
»Und was wollte dieses naive und geniale Naturkind von Ihnen?« fragte er spöttisch. »Ich wette, daß es eine ganz hübsche Unverschämtheit war!«
Sollte sie es ihm erzählen? Sie hatte Fing Su ja kein Versprechen gegeben, ihre Unterredung vertraulich zu behandeln.
Clifford beobachtete ihr Zögern, und mit unheimlichem Scharfsinn durchschaute er, was sich ereignet hatte.
»Er wollte wohl nicht eine Gründeraktie der Yünnan-Gesellschaft kaufen?«
Als er sah, daß sie errötete, schlug er sich aufs Knie und brach in ein schallendes Gelächter aus.
»Armer kleiner Machiavelli!« ächzte er schließlich und trocknete sich die Augen. »Na ja, ich habe sowieso nie geglaubt, daß er sich mit seinem Anteil zufriedengeben würde. Er besitzt ein Zehntel und Joe Bray verfügte über ein weiteres Zehntel.«
»Und in wessen Besitz sind die übrigen Anteile?« fragte Joan erstaunt.
»Im Besitz Ihres zukünftigen Gatten«, bemerkte er leichthin. »Unser chinesischer Freund ist mehr als Millionär, aber damit ist er nicht zufrieden. In einer Anwandlung von Verrücktheit hatte Joe Bray Fing Sus Vater einige Gründeraktien überlassen.
Unbegreiflich, daß er späterhin sogar noch die meisten seiner eigenen Gründeraktien an Fing Su selber gegeben hat. Joe Brays Andenken in allen Ehren - aber er muß damals nicht bei Verstand gewesen sein! Das Unüberlegteste, was er jemals angestellt hat -« Er unterbrach sich nachdenklich. »Na, vielleicht hat er es auch gar nicht getan... Jedenfalls werde ich es heute abend wohl erfahren!«
Joan stellte keine Fragen, was für einen Verdacht Clifford habe, und Lynne fuhr fort:
»Bevor ich mein Kapital mit dem von Joe zusammenwarf, gab es noch gar keine Yünnan-Gesellschaft. Damals hatte Joe gerade ein wenig Kohle aus einem Gebiet gekratzt, für das ihm Fing Sus seliger Vater die Konzession verschafft hatte. Für diese Gefälligkeit hatte der törichte alte Gentleman sich vertraglich verpflichtet, seinen chinesischen Mittelsmann mit einem Zehntel am Reingewinn zu beteiligen. Davon wußte ich aber nichts, als ich einen Landstrich mit sehr ergiebigen Kohlevorkommen in das Unternehmen einbrachte. Um Fing Sus Vater wieder herauszuwerfen, gab es so viele juristische Streitigkeiten, daß die Gesellschaft während der Prozesse praktisch nichts mehr wert war. Zum Schluß habe ich dann mit einem größeren Kapital die Yünnan-Gesellschaft neugegründet.«
Er blickte sie zweifelnd an: »Haben Sie alles begriffen?«
Joan schüttelte den Kopf.
»Nicht ganz, aber ich möchte es verstehen, unbedingt!«
Wieder fiel dieser forschende Blick auf sie. »Damals setzte ich die Bestimmung hinsichtlich der Gründeraktien durch, um den guten alten Joe daran zu hindern, seine Uneigennützigkeit zu weit zu treiben. Er hatte das beste Herz, das je geschlagen hat, aber zu den Klügsten zählte er wahrlich nicht. Als er entdeckte, daß die Gründeraktien ihm keine Zinsen brachten, war er der Meinung, sie seien nicht viel wert. Von den neunundvierzig ausgegebenen Aktien gab er neun an Fing Sus Vater - darauf bestand er hartnäckig -, und Joe selbst und ich behielten jeder zwanzig.«
»Was hat es eigentlich mit dem Reservefonds auf sich?« wollte Joan wissen.
Clifford sah sie einen Augenblick argwöhnisch an. Schließlich erklärte er:
»Wir haben zwar ein sehr großes Reservekapital, doch ein großer Teil davon gehört uns gar nicht. Sehen Sie, wir hatten umfangreiche geschäftliche Interessen in der Mandschurei, dazu gehörten auch Bankgeschäfte. Nach Ausbruch der russischen Revolution wurden Riesensummen bei uns deponiert, die wir nach Shanghai in Sicherheit brachten. Viele unserer Kunden sind ums Leben gekommen - arme Seelen -, darunter auch die Besitzer der größten Depots. Bei den augenblicklichen chaotischen Verhältnissen ist es unmöglich, ihre Erben ausfindig zu machen. Dieses Geld bezeichnen wir als Reservefonds B; und hinter diesem Geld ist Fing Su her!«
Als er ihr Erstaunen sah, meinte Clifford:
»Das ist noch nicht alles. Vor einigen Monaten erfuhr ich, daß Joe drei
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