0510 - Der Leichenzug
den Vampiren paßte.
Oder sonderte das weiße Skelett diesen Geruch ab.
Über die Gestalt machte ich mir ebenfalls Gedanken. Mit lebenden Skeletten hatte ich schon des öfteren zu tun gehabt. Vor kurzem noch bei einem Fall in Bayern. Trotzdem glaubte ich daran, daß diese Sache hier wesentlich anders gelagert war.
Das Skelett mußte einen anderen Hintergrund haben, und es verfolgte auch einen bestimmten Plan.
Bisher war es bis auf mein eigenes Atmen still gewesen. Das änderte sich sehr rasch.
Noch in meine Gedanken hinein hörte ich die Geräusche. Es mußten schleifende Schritte sein, die über den rauhen Fels glitten und von einem Klappern untermalt wurden.
Wie bei Knochen…
Das Skelett hatte aus zahlreichen Knochen bestanden. Wahrscheinlich kam es näher.
Ich bewegte weder die Arm- noch die Fußgelenke. Regungslos blieb ich auf dem Rücken liegen. In meinem Innern hatte sich ein Gefühl der Spannung aufgebaut, nicht der Furcht. Ich lauerte darauf, ob nun etwas geschehen würde.
Der Unbekannte oder Unheimliche änderte seine Richtung. Er lief nicht mehr direkt auf mich zu. Dafür begann er damit, mich zu umkreisen. Wie die Katze um den heißen Brei schlich er um mich herum. Jedem seiner Schritte lauschte ich nach. Es waren unheimliche Geräusche, die an meine Ohren klangen.
Manchmal schleifend, dann wieder etwas hohl klappernd. Die Spannung in mir stieg weiter. Wenn der Knöcherne bewaffnet war und ich regungslos vor ihm auf dem Boden lag, hatte ich keine Chance.
Dann konnte es mich töten, ohne daß es zu einer Gegenwehr kam.
Die Schritte verstummten plötzlich. Ich hatte mich noch konzentriert und wußte, daß der Unheimliche neben mir stand. Ich sah ihn nicht, ich spürte allein die Aura, die von ihm ausging und mich streifte.
Etwas berührte meinen Körper an der linken Hüfte. Ich zuckte erst zusammen, bevor ich erstarrte und mich auf die wandernden Berührungen konzentrierte.
Es waren Finger.
Hautlose Spitzen, knöchern und auch einen gewissen Druck ausübend. Sie zeichneten die Umrisse meines Körpers nach, drückten in das Fleisch. Ich hoffte ja, daß sie weiter meiner Brust entgegenwandern würden, wo auch das Kreuz lag.
Diesen Gefallen taten sie mir nicht. Dafür löste sich der Druck, um einer Stimme Platz zu schaffen, die wie ein raunender Windstoß durch den unterirdischen Felsendom glitt.
»Wir haben dich. Wir haben dich, unseren Retter, gefangen. Du wirst uns befreien…«
Mit allem hätte ich gerechnet, nicht aber mit dieser Vorgabe.
Wieso sollte ich sie befreien, und wen sollte ich befreien?
Da das Skelett geredet hatte, hielt ich zunächst den Mund. Es würde bestimmt weitersprechen.
»Wir waren Staub, doch der Staub ist nicht endgültig. Er ist nicht vergangen, er wurde aufbewahrt. Der Geist steckt noch in ihm. Ein Geist, den es dürstet, und zwar nach Blut. Nach deinem Blut.«
Allmählich lichtete sich der Schleier. Ich konnte nicht behaupten, daß es mir jetzt besserging. Ein Kratzen blieb schon noch im Hals zurück und auch ein drückendes Gefühl in der Magengegend.
Wenn jemand Blut wollte, konnte er es weder vom Skelett holen noch von den zerfallenen Körpern. Der unheimliche Sprecher hatte schon recht. Ich war derjenige, der das Blut hergeben mußte.
Hatte ich nicht so etwas schon erlebt? Es lag einige Zeit zurück, als der Teufel mein Blut haben wollte und mich in einer schrecklichen Welt gefangen hatte. Dieser Fall war so hart an der Grenze gewesen, daß ich ihn fast nicht überlebt hätte.
Ähnliches stand mir nun bevor.
Das Blut eines Menschen für die zerstörten Vampire. Ihr Geist existierte noch. Er benötigte nur einen Katalysator, um sich mit dem vereinen zu können, was zurückgeblieben war.
Vampirstaub und Blut – welch eine Mischung!
Daß es so etwas gab, wußte ich auch. Selbst hier in Rumänien war es dazu gekommen. Damals, als ich den alten Marek kennengelernt hatte. Das Schicksal beschrieb schon sehr riskante Kapriolen. Irgendwie war alles ein Kreis, denn auch mich hatte es wieder in die nähere Umgebung von Petrila verschlagen.
Nur wollte ich auf keinen Fall, daß dieser verdammte Berg zu meinem Grab wurde.
»Mein Blut?« fragte ich in das Dunkel hinein und hoffte auf eine Antwort, die ich nicht bekam.
Dafür handelte der nicht Sichtbare. Er tat etwas, womit ich niemals gerechnet hätte.
Wieder spürte ich den Druck der Knochenfinger. Diesmal glitten sie über meinen Arm.
Aber da war noch etwas.
Ein leichter Druck entstand, dem meine
Weitere Kostenlose Bücher