0519 - Das Auge von Atlantis
Saal war völlig normal, und doch wurde Jane stark irritiert.
Wie zu Eis erstarrt, blieb sie stehen.
Das merkte auch Mickey, der sich an der Tür aufhielt. »Verdammt, was ist mit dir los?«
»Sei ruhig, bitte.« Jane Collins wollte sich einfach konzentrieren, um herauszufinden, was sie so störte.
Sie war einmal eine Hexe gewesen, der man sogar das Herz aus dem Leib gerissen hatte. Durch eine waghalsige Operation war es gelungen, Jane ein Kunstherz einzupflanzen. Sie war auch von ihrem Hexendasein erlöst worden, ohne allerdings wieder ihrem eigentlichen Beruf, dem einer Privatdetektivin nachzugehen. Statt dessen lebte sie bei Sarah Goldwyn und mußte sich wegen ihres zweiten schlimmen Schicksals tagsüber versteckt halten.
Gegen das Dasein als Hexe hatte sich Jane eigentlich nie richtig wehren können, und es war auch noch tief in ihrem Innern oder in der Seele ein Rest zurückgeblieben.
Ein Rest von alter Hexenkraft, der normalerweise nicht zu Tage trat, aber in bestimmten Situationen noch von ihr eingesetzt werden konnte.
Diese Kraft wirkte auch gleichzeitig als Signalgeber. Und das merkte sie hier.
Jane stand jetzt vor der weißen Wand und spürte, daß mit dieser hellen Fläche etwas nicht stimmte. Sie starrte darauf, ihre Augen wirkten wie Sensoren, innerlich war sie total angespannt.
Etwas strahlte von der Wand ab.
Es war für sie nicht faß- oder greifbar, störte Jane jedoch stark.
Sie mochte es nicht, es war feindlich.
Jane wollte auf Nummer sicher gehen, wandte sich um und schaute in die Richtung, wo Mickey stand.
Das Gefühl verschwand.
Mickey fühlte sich angemacht, er wollte schon etwas sagen, sein Mund aber blieb offen, ohne daß er ein Wort gesprochen hätte. Instinktiv spürte er, daß er Jane Collins jetzt nicht stören durfte.
Sie nahm wieder die alte Haltung ein. Sofort war das Gefühl wieder vorhanden.
Die Wand war nicht normal, obwohl sie so aussah. Sie gab ein Fluidum ab, das Jane mit dem Ausdruck Gefahr umschrieb.
Irgend etwas mußte sich davor, darin oder dahinter befinden. Die ehemalige Detektivin trat näher an die weiße, viereckige Fläche heran. Sichtbar erkannte sie kein Zeichen einer drohenden Gefahr. Die weiße Farbe blieb ruhig. Sie zirkulierte nicht, sie zitterte und bewegte sich nicht. Es kostete Jane Überwindung, den Arm auszustrecken und die Fläche zu berühren. Möglicherweise konnte sie etwas ertasten, würde ein Strom von der Wand her in sie hineinrinnen und sie ausfüllen. Ein Strom, der gleichzeitig einer Botschaft glich.
Der Kontakt war da. Jane hatte die Hand gespreizt. Mit den Fingerkuppen berührte sie den Stein, dann bewegte sie die Hand weiter und ließ die Spitze über die Wand gleiten.
Es tat sich nichts.
Das wiederum gefiel Jane Collins überhaupt nicht, weil sie jetzt genau wußte, daß mit der Wand etwas nicht stimmte. Sie nahm die andere Hand zu Hilfe und legte sie ebenfalls gespreizt gegen die weiße Wand. In dieser Haltung blieb sie stehen.
In ihrem Rücken vernahm sie ein scharfes Atem. Es war Mickey, der mit der neuen Situation nicht fertig wurde. »He, was machst du denn da? Willst du was beschwören?«
Er kam näher, Jane hörte seine Schritte lauter werden. Ohne zurückzublicken forderte sie ihn auf, nicht mehr weiter zu gehen.
»Okay, okay.« Er blieb tatsächlich stehen. »Aber ich kann doch erfahren, was du da tust.«
»Ich konzentriere mich.«
»Auf was denn?«
»Bitte sei ruhig.«
Mickey dachte nicht daran. Er lachte laut. »Okay, mach du deinen Kram, ich schaue mich mal woanders um.« Er hatte die zweite Tür entdeckt, die in den Verkaufsraum führte, und darin verschwand er auch.
»Wenn es eben geht, dann bleib auch dort!« rief Jane Collins ihm noch nach.
»Na sicher. Ich hole mir ein paar Streifen.«
Jane paßte es überhaupt nicht, daß sie einen Begleiter hatte. Aber was sollte sie machen? Er hatte ihr schließlich ermöglicht, ohne große Schwierigkeiten in das Haus zu gelangen.
Sie konzentrierte sich wieder auf die weiße, so völlig harmlos aussehende Fläche. Sosehr sie auch versuchte, ihr das Geheimnis zu entlocken, es war einfach nicht möglich.
Nicht durch Tasten, nicht durch Konzentration.
Jane ging nur davon aus, daß die Wand gefüllt sein mußte. Gefüllt mit einer Magie, die nicht gerade zu den positiven zählte, so wie bei John Sinclair.
Da lauerte etwas Böses…
Jane Collins schloß die Augen. So konnte sie sich noch stärker auf die Fläche konzentrieren. Obwohl sie es nicht gern tat und sich
Weitere Kostenlose Bücher