0520 - Ich jagte das Hexen-Trio
Geistliche strich durch sein schütteres, blasses Haar. »Sie ist noch immer nicht zurück?«
»Nein«, sagte Mrs. Gladstone.
»Wie lange ist sie jetzt verschwunden?«
»Eine Woche genau«, lautete die leise Antwort.
»Gütiger Lord, da kann viel geschehen«, sagte der Pfarrer, »aber wir sollten die Hoffnung nicht aufgeben. Wo das Dunkel herrscht, leuchtet auch stets ein Licht. Wir sollten beten. Vielleicht stellt sich auch alles als harmlos heraus…«
»Das glaube ich nicht, Elton«, sagte der Mann. »Du weißt, daß Julie von einem Geheimnis umgeben ist. Sie besitzt das Zweite Gesicht.«
»Das glaubt ihr.«
»Aber es stimmt!« sagte Mrs. Gladstone. Sie hatte die Hände aufeinandergelegt. Es waren Finger, die von einer lebenslangen Arbeit zeugten. »Julie sieht so manche Dinge, die anderen Menschen verborgen bleiben. Das mußt du uns glauben.«
»Es fällt mir sehr schwer, mich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen. Wir leben in einer Umgebung, die dafür bekannt ist, daß sie – ich will mal sagen – Gestalten produziert, die eigentlich nur in den Sagen, Legenden und Phantasien der Menschen bestehen. Aber hier glaubt man noch an gewisse Dinge.« Er hob die Schultern. »Ich habe zeit meines Lebens dagegen angekämpft. Es war der Kampf gegen die berühmten Flügel der Windmühle.«
»Julie ist anders!« behauptete ihr Großvater.
»Nun gut, das sagt ihr, die ihr sie besser kennt. Was aber wollt ihr tun, wenn sie morgen und übermorgen nicht zurückkehrt? Der Lehrer wird Fragen stellen, er wird vom Arzt ein Attest haben wollen, um einen Beweis für ihr Fernbleiben in der Hand zu haben…«
»Über diese Dinge haben wir uns noch keine Gedanken gemacht«, sagte Mrs. Gladstone. »Für uns ist Julie wichtiger. Seit dem Tod ihrer Eltern haben wir die Verantwortung übernommen, und wir werden sie auch nicht aus den Händen geben.«
»Das ist verständlich.« Der Pfarrer nickte. »Ich frage mich nur, wie ich euch helfen kann?«
»Vielleicht wirklich nur durch das Gebet«, flüsterte die Frau.
»Darin schließe ich Julie seit ihrem Verschwinden besonders intensiv ein.«
»Danke.«
Elton Fanry schaute auf seine Uhr. »Seid mir nicht böse, aber ich muß weg und einen Krankenbesuch machen. Den habe ich versprochen.«
»Natürlich. Tut uns leid, wir wollten dich nicht aufhalten.«
»Das habt ihr auch nicht getan.« Der Pfarrer drückte dem Ehepaar die Hände und ging davon.
»Kommst du dir auch so allein vor?« fragte Paul Gladstone nach einer Weile.
»Ja.«
»Ich habe das Gefühl, als würde der Knöcherne bereits seine Hand nach uns ausstrecken. Julie ist anders, sie birgt ein Geheimnis in sich, und keiner hat es bisher lüften können, auch wir nicht.« Er reichte seiner Frau den Arm. »Komm, Mary, laß uns gehen.«
Ebenfalls Arm in Arm verließen sie die Kirche und traten hinaus in den feuchten, kühlen Nebelvormittag. Bis zu ihrem Haus hatten sie es nicht weit. Sie sahen die Strecke stets als einen kleinen Spaziergang an. Der Milchmann begegnete ihnen. Er hatte die Kannen auf den Anhänger geladen und grüßte winkend. »Ich habe die Flaschen vor die Haustür gestellt«, rief er.
»Danke.«
Mary Gladstone lachte leise auf. »Es ist zu viel Milch für uns beide.«
»Ja, wir bestellen trotzdem nicht weniger. Es soll keiner Verdacht schöpfen.«
»Das haben die Leute schon längst.«
»Mir hat niemand etwas gesagt.«
»Aber ich wurde angesprochen. In den Geschäften erkundigte man sich nach Julie. Komisch, sonst sind viele Leute dem Kind aus dem Weg gegangen. Sie war ihnen wohl zu unheimlich, unsere kleine Julie.«
»Sprich nicht von ihr in der Vergangenheit, Mary!« belehrte Paul Gladstone seine Frau. »Ich glaube einfach nicht daran, daß sie tot ist. Sie wird zurückkehren.«
»Sie hat das Böse geweckt, Paul, denke daran.«
»Welches Böse!«
»Das hier lauert«, antwortete er. »Der Sumpf birgt ein Geheimnis. Ich weiß es.«
»Wer hat es dir gesagt?«
Paul Gladstone blieb stehen und schaute über den Wegrand hinweg in die Tiefe des Sumpfes. »Wer weiß«, sagte er mit leiser Stimme, »was unter der Oberfläche lauert.«
»Meinst du denn, daß unsere Enkelin das Geheimnis kennt?«
»Zumindest einen Teil davon.«
»Woher nimmst du den Mut zu dieser Behauptung?«
Paul Gladstone holte tief Atem. »Julie sah in mir einen Vertrauten. Ich habe über das, was ich dir jetzt sagen werde, nie mit dir gesprochen, weil das Kind es nicht wollte, aber glaube mir, Mary, Julie ist mit einem Fluch
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