0544 - Der Bleiche
gefaßt machen.«
»Ich schelle.«
Wir lauschten dem Geräusch der summenden Klingel. Kyra Benson brauchte nicht zu öffnen, sie brauchte uns auch nicht in die Wohnung zu lassen. Einen Durchsuchungsbefehl hatten wir ebenfalls nicht mit.
Es war ein Versuch mit Risiko.
Sie öffnete trotzdem. Der Spalt war etwa handlang, bevor er von der Kette gestoppt wurde. Innerhalb des Ausschnitts erschien das Gesicht einer dunkelhaarigen Frau. Soweit ich erkennen konnte, trug sie nur mehr einen dünnen Hausmantel, den sie vor ihrer Brust mit einer Hand zusammengerafft hatte.
»Ja bitte?«
Suko überließ mir den Vortritt. Es gibt noch immer Menschen, die gegen Asiaten Vorurteile haben und sehr unwillig oder erschreckt reagieren, wenn sie Besuch von einem Chinesen bekommen.
»Mrs. Kyra Benson?« fragte ich höflich.
»Das bin ich.«
»Dürfen wir mit Ihnen reden?«
Ob sich Mißtrauen auf ihrem Gesicht ausbreitete, war in dem schlechten Flurlicht nicht zu erkennen. Jedenfalls veränderte sich ihre Mimik. »Weshalb denn?«
»Es geht um den Besuch, den Sie an jedem Abend empfangen.«
»Ach nein.« Sie lachte leise. »Welchen Besuch denn?« Jetzt klang ihre Frage lauernd.
»Man spricht davon, daß Ihr Mann zu Ihnen kommt.«
»Wer sagt das?«
»Diejenige Person, die uns Bescheid gab.«
»Was haben Sie denn damit zu tun?«
Ich wollte die Katze nicht aus dem Sack lassen und entschloß mich zu einer Notlüge. »Wir kommen von der Versicherung. Es gibt da noch einige Fragen zu klären, die Ihren Mann betreffen.«
»Meinen Mann? Der ist tot, verstehen Sie? Seit einigen Monaten ist er nicht mehr bei mir.«
»Ach ja? Dann ist uns etwas Falsches mitgeteilt worden. Es heißt, Ihr Mann würde Sie jeden Abend besuchen.«
»Sagt man das?«
»Ja!«
»Dann müßte er ja jetzt hier sein, der Tote.«
»Genau.«
»Er ist es aber nicht.«
Ich räusperte mich. »Ich weiß, Mrs. Benson, es klingt unverschämt. Aber würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir uns selbst davon überzeugen könnten?«
Sie überlegte kurz. »In meine Wohnung wollen Sie?«
»Wie gesagt, nur wenn es Ihnen…«
Sie musterte mich von oben bis unten. Ob ihr das eine Entscheidungshilfe gewesen war, konnte ich nicht sagen. Jedenfalls war sie positiv aufgefallen. »Gut, ich habe nichts zu verbergen. Wenn Sie unbedingt kommen wollen, dann bitte. Schauen Sie sich bei mir um. Sie werden meinen Mann nicht finden.«
»Wenn Sie das so sagen…« Ich tat, als wollte ich mich abwenden, aber sie bestand darauf, daß wir die Wohnung betraten. Vorher wollte sie noch unsere Namen wissen.
Dann öffnete sie und trat zur Seite. Wir gingen in den Flur und schauten uns um.
Die Einrichtung bestand aus dunklen Möbeln, wie ich mit einem Blick in den Wohnraum feststellen konnte. Es wies jedoch nichts darauf hin, daß diese Frau Besuch gehabt hatte. Da standen keine benutzten Gläser oder Tassen. Das Zimmer sah so aus, als wäre es tatsächlich nur von einer Person bewohnt worden.
»Na?« fragte sie. »Sehen Sie jemand?«
»Nein.«
»Was hat die Versicherung überhaupt mit dem Tod meines Mannes zu tun? Da ist alles korrekt zugegangen. Ich habe keine Lebensversicherung kassiert. Sie haben mir doch einen Bären aufgebunden, Mr. Sinclair.«
»Wir sind von der Polizei«, sagte Suko. »Scotland Yard, Madam.«
Kyra Benson warf den Kopf zurück und lachte lauthals. Sie war eine ungewöhnliche Person, ein, wie man im Volksmund leicht sagt, richtiges Weib. Vollschlank und energiegeladen. In ihr vereinigten sich Kraft und Sex.
»Was finden Sie daran so lustig?« erkundigte ich mich.
»Entschuldigen Sie, Mr. Sinclair.« Sie preßte noch während des Lachens ihre Hand gegen den Mund. »Ich konnte einfach nicht anders. Hört das denn nie auf?«
»Was?«
»Das mit der Polizei. Schon des öfteren haben sie versucht, uns die Polizei auf den Hals zu schicken.«
»Grundlos?«
»Nein, Inspektor, für diese Leute nicht. Sie haßten es, daß wir anders lebten als sie.«
»Wie anders?« hakte Suko nach.
»Nun ja.« Sie griff zu einer Zigarette und zündete sie an. »Mein Mann und ich waren Menschenfreunde. Ja, wir liebten die Menschen. Wir haben viel Besuch empfangen. Wir diskutierten hier über alle möglichen Dinge. Über reale und rätselhafte. Verstehen Sie das?«
Natürlich verstanden wir. Das aber sagten wir ihr nicht. »Nein, was war Ihr Mann denn von Beruf?«
»Menschenfreund, Mr. Sinclair.«
»Oh, das bewundere ich. Es ist auch sehr ehrenwert. Aber eine andere Frage. Kann
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