055 - Labyrinth des Todes
schenkte uns Beachtung.
»Du kannst mir helfen«, sagte ich leise. »Wie heißt du?«
»Wu Khiu«, sagte er rasch. »Wie kann ich Ihnen helfen, Sir?«
»Ich benötige zwei kräftige Männer, die keine Angst haben.«
»Die kann ich besorgen«, sagte der Junge und nickte eifrig.
»Gut, Wu. Wenn du mir die Männer verschaffst, dann lasse ich dich laufen.«
Ein breites Grinsen huschte über sein Gesicht. »Das ist keine Schwierigkeit. Folgen Sie mir, Sir!« Ich ließ sein Handgelenk nicht los. Wir gingen zwischen einigen Verkaufsbuden hindurch und bogen in eine schmale, fast unbeleuchtete Gasse ein. Nach einigen Schritten blieb Wu Khiu vor einer Bar stehen, die alles andere als vertrauenerweckend aussah. Wir traten ein, und ich folgte zögernd. Es dauerte einige Sekunden, bis ich mich an das schummrige Licht gewöhnt hatte und Einzelheiten erkennen konnte.
Die Hälfte des Lokals wurde von einer riesigen Theke eingenommen, an der einige Matrosen und grellgeschminkte Mädchen saßen. Vor der Theke standen ein halbes Dutzend Tische, die alle besetzt waren. Die Fenster waren verhängt und der Raum in rotes Licht getaucht. Solche billigen Kneipen findet man in jedem Hafenviertel der Welt.
Der Junge zerrte mich ungeduldig weiter, und ich folgte ihm. Er drängte sich zwischen zwei angetrunkenen Matrosen hindurch und blieb vor der Theke stehen.
Das Mädchen dahinter trug das schwarze Haar aufgesteckt und war recht hübsch. Ich verstand einige Brocken Chinesisch, doch der Junge sprach zu rasch. Das Mädchen blickte mich flüchtig an, wandte sich aber sofort wieder dem Jungen zu und sagte etwas, woraufhin der Junge eifrig zu nicken begann.
Ich fühlte mich nicht besonders wohl. Es wäre durchaus möglich gewesen, daß der Junge das Mädchen ersuchte, für ihn Hilfe zu organisieren, aber ich mußte das Risiko eingehen.
Das Mädchen verließ die Bar. Sie ging auf die Toiletten zu, und ich sah ihr nach.
Wu Khiu grinste mir freundlich zu. »Ta Chi holt zwei Freunde, Sir, die Ihnen helfen werden.«
Es dauerte nur wenige Augenblicke, und das Mädchen kehrte zurück und nickte Wu Khiu zu. »Setzen wir uns an diesen Tisch«, sagte Wu Khiu und zeigte auf einen Tisch in der Ecke der Kneipe. Ich nickte, und wir setzten uns, dabei ließ ich aber noch immer nicht seine Hand los.
Es war ziemlich laut, die Luft qualmig, und es roch nach verschüttetem Bier. Ta Chi wischte mit einem feuchten Lappen den Tisch ab und stellte einen gereinigten Aschenbecher vor mich. Ich bestellte ein Bier, der Junge wollte nichts trinken.
Nach fünf Minuten betraten zwei hünenhafte Chinesen das Lokal, blieben neben der Tür stehen und sahen sich genau um. Langsam kamen sie auf uns zu, blieben vor dem Tisch stehen, verbeugten sich leicht, setzten sich und starrten mich an. Beide konnten nicht viel älter als zwanzig sein.
»Das sind Huang und Ts’ao Ta«, sagte der Junge. Ich ließ seine Hand los und entspannte mich. »Sie brauchen Hilfe, Sir?« fragte Huang.
Seine Stimme war sanft und sein Englisch recht gut.
Ich nickte und trank einen Schluck Bier. Dann erzählte ich ihnen, was ich von ihnen wollte. Sie hörten mit unbeteiligten Gesichtern zu und unterbrachen mich kein einziges Mal. Als ich geendet hatte, schwiegen sie einige Sekunden lang. Huang sprach auf Ts’ao Ta ein, der bedächtig mit dem Kopf nickte. Schließlich sah mich Huang an.
»Zweihundert Hongkong-Dollar für jeden«, sagte er.
Das war weniger, als ich erwartet hatte. Pro forma handelte ich einige Zeit mit ihm, doch er blieb hart und bestand auf der Summe. Schließlich gab ich nach.
Wir benötigten Schaufeln und Lampen. Huang versprach, sie zu besorgen. In einer halben Stunde wollte er zurück sein.
Kurz nach Mitternacht trafen wir auf dem Friedhof ein. Sicherheitshalber hatte ich mir eine Pistole mit geweihten Silberkugeln und einige Dämonenbanner eingesteckt, Dinge, die mir schon oft in meinem Kampf gegen die Schwarze Familie geholfen hatten. Huang hatte zwei neue Schaufeln und zwei Stablampen besorgt. Den Jungen hatte ich laufenlassen, wofür er sich überschwenglich bedankt hatte.
Wir blieben einige Minuten im Wagen sitzen. Ich rauchte eine Zigarette und beobachtete die Straße. Kaum ein Wagen kam vorbei, und Fußgänger waren nicht zu sehen. Huang und Ts’ao Ta saßen unbeweglich wie Statuen da; nur ihr leises Atmen war zu hören.
Der Friedhof war von einer über zwei Meter hohen Steinmauer umgeben, das Friedhofstor geschlossen.
»Geben Sie uns jetzt das
Weitere Kostenlose Bücher