058 – Das Gift des Rings
hielt!
Er bückte sich und schaufelte vorsichtig mit den Händen. Sofort rieselte Sand in die Kuhle nach.
Er wusste, dass man sich im Treibsand nicht bewegen durfte und auf Hilfe warten sollte. Jetzt fand er auch heraus, warum das so war. Jede Bewegung ließ ihn tiefer einsinken. Aber Stillhalten war ebenfalls keine Option für ihn.
Das war doch nur Sand! Die gleichen Körner, die der Wind unablässig über die Wüste wehte. Es durfte nicht wahr sein, dass sie ihn, einen der mächtigsten Männer des Imperiums, zum Gespött machten. Er spürte die Kühle auf seinen Wangen. Tränen der Erregung, über die die Luftzirkulation des Anzugs streicht.
Er presste die Zähne aufeinander und riss in kurzen Abständen sein rechtes Knie hoch. Oder versuchte es.
Als er auf der linken Seite immer weiter einsank, begriff er, dass dies nicht nur eine Frage des Stolzes war. Es ging um sein Leben. Sein Herz hämmerte gegen die Brustplatte.
Aber was für eine Wahl hatte er schon?
Hier sterben – oder Hilfe rufen und scheitern. Ein Versager sein für die letzten Wochen, bis der Regent Muße fand, genauer hinzusehen, was Sergh in den letzten Monaten getrieben hatte. Sich zu seinem Herrn zitieren zu lassen, um von diesem gedemütigt zu werden und dann zu sterben. Als er sich vorstellte, wie Theta Zeugin seiner Schmach würde, tränten seine Augen so heftig, dass sein Blick verschwamm. Ebenso Ihin, die Rudergängerin des Trosses: Sollte er ihren hochmütigen Blick ertragen?
Nein, eher würde er hier im Sand versinken!
Er rief sich zur Ordnung. Er durfte sich nicht gehen lassen!
Er schloss die Augen und atmete tief durch. Die Versuchung, weiter mit den Beinen zu strampeln, war groß. Er bezwang sie, auch wenn er wusste, dass er Millimeter um Millimeter einem stillen Tod entgegensank. Er erinnerte sich an sein Dagortraining.
Einatmen.
Die Luft anhalten. Spüren, wie die Brust zu prickeln beginnt.
Ausatmen.
Einatmen.
Ausatmen.
Sein Herzschlag verlangsamte sich, wurde von einem Trommelwirbel zu einem Gong.
Einatmen.
Er öffnete die Augen, blinzelte die Tränen fort.
Er musste sich am Beginn des Treibsandfelds befinden, sonst wäre er schon merklich eingesunken gewesen, bevor er innegehalten hatte, um die Funkübertragung zu analysieren. Demnach war der Boden hinter ihm fester als vor ihm.
Das Hauptproblem war sein Gewicht. Es drückte auf die Füße, die deswegen den staubfeinen Sand verdrängten, was ihn immer tiefer einsinken ließ. Jetzt hatte er schon die Hälfte der Waden überschritten.
Er musste die Füße entlasten! Die Antigraveinheit stand dafür nicht zur Verfügung. Immerhin hatte ihre Verminderung der natürlichen Schwerkraft von Naat wohl dafür gesorgt, dass der Sand nicht bereits über seinem Helm zusammenschlug.
Weniger Gewicht ... Zumindest weniger Gewicht auf der vergleichsweise kleinen Fläche meiner Füße.
Sergh ging in die Hocke, setzte sich, legte sich auf den Rücken und breitete die Arme aus. Dadurch verteilte er die Last, von der sich jetzt nur noch ein Bruchteil über den Füßen befand.
Trotzdem konnte er seine Beine noch immer nicht bewegen.
Oder?
Er wackelte mit den Zehen. Dann mit den Füßen. Es gelang, und er hatte nicht das Gefühl, weiter einzusinken!
Im Gegenteil. Wenn die Hoffnung ihn nicht narrte, gab es sogar so etwas wie einen leichten Auftrieb, der seinen sanften Zug unterstützte.
Sergh mahnte sich zur Geduld. Zwölf Jahre hatte er darauf gewartet, den Weg zu finden, den er jetzt ging. Es kam nicht auf eine Tonta an.
Er verlor sein Zeitgefühl. Irgendwann konnte er die Unterschenkel in kleinen Kreisen bewegen. Es war die Erlösung aus großer Qual. Er unterstützte seine Beine mit wellenartigen Bewegungen seines Oberkörpers.
Aufgrund seiner Lage sah er zum Himmel auf. Peshteer wanderte durch das Schwarz. Die Vulkane des Monds glosten. Wäre er jetzt hier, wenn er Granaar dort gelassen hätte? Nur von einem der unzähligen Ereignisse seines Lebens wusste er, dass es mit Sicherheit ursächlich dafür war, dass er nun in der Wüste lag. Von der Begegnung mit dem Geheimnisvollen, der ihm den Ring gegeben hatte.
Der Staub legte sich auf die Sichtscheibe seines Helms. Er wagte nicht, eine Hand vom Boden zu heben. Er wollte die Auflagefläche nicht verkleinern. So verdunkelte sich sein Sichtbereich. Als wenn eine formlose Dunkelheit die Sterne verschluckt hätte. War es so, wenn man starb?
Irgendwann hatte er seine Füße aus der Falle befreit. Vorsichtig rollte er über
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