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0593 - Das Zeichen

0593 - Das Zeichen

Titel: 0593 - Das Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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berühren, nur war der zu weit entfernt. Er konnte ihn nicht fassen.
    Der weiße Schemen bewegte sich nicht. Ruhig blieb er auf der Stelle stehen, ohne zu zittern. Selbst in seinem Innern vibrierte nichts.
    Durch seine sitzende Haltung kam er dem Rabbi noch größer und langgestreckter vor, als er es tatsächlich war.
    Rabbi Jehuda bewegte seine Lippen. Mühsam und stockend drangen die Worte hervor. »Wer… wer bist du? Bist du wirklich mein Sohn Nathan? Kannst du Antwort geben?«
    Er wartete, er hoffte auf eine Kommunikation, die allerdings nicht erfolgte, das gespenstische helle Wesen zeigte mit keiner Reaktion an, ob es den Rabbi verstanden hatte.
    Jehuda hämmerte sich ein, innerlich ruhig zu bleiben. Er durfte alles, nur nicht die Nerven verlieren, deshalb benötigte er einige Sekunden, um sich zu fangen.
    »Wenn du«, flüsterte er, »mich verstehst, gib es mir durch ein Zeichen zu erkennen.«
    Der weiße Schatten bewegte den Kopf und drehte sich halb um, so daß er schon zur Tür schauen konnte. In seiner Gestik erinnerte er an einen Hund, der seinem Herrn etwas zeigen wollte, sich aber sprachlich nicht ausdrücken konnte.
    Der Rabbi hatte begriffen. Die Seele oder der Geist seines Sohnes teilte ihm mit, daß er das Zimmer verlassen sollte. Wahrscheinlich wollte er ihm etwas zeigen.
    Noch saß der Rabbi unbeweglich. Er dachte darüber nach, ob er gehen sollte. Er hatte viel erlebt, sein Vertrauen war erschüttert, und es fiel ihm auch Sarah ein, die ihn so schwer enttäuscht hatte.
    Wenn sie und Nathan eine Allianz gegen ihn gebildet hatten, würde er sich kaum wehren können. Aber er mußte etwas tun, weil er Klarheit haben wollte, auch wenn es ihn möglicherweise sein eigenes Leben kostete.
    Seltsam, der Gedanke daran erschreckte ihn nicht einmal.
    Beim Aufstehen warf der Rabbi einen letzten, bedauernden Blick auf das dunkle Telefon. Die ersten Schritte ging er zitternd. Er schob sich seitlich an seinem Schreibtisch vorbei, stets darauf bedacht, den Geistkörper nicht aus den Augen zu lassen.
    Zudem wunderte er sich, daß der andere keinen Versuch unternahm, mit ihm auf telepathischem Weg in Kontakt zu treten. Aus diesem Grunde kam er sich so allein gelassen vor.
    Seine Sohlen schleiften über den Boden, den Blick hielt er in Richtung Tür gewandt, die sich plötzlich, wie von Geisterhand gezogen, öffnete, um ihm die Möglichkeit zu geben, den Raum zu verlassen.
    Gleichzeitig drehte sich der Geist auf der Stelle. Es war ein lautloses Herumschwingen, überhaupt war alles, was diese Erscheinung anging, mit keinem Geräusch verbunden.
    Er schwebte voran.
    Zwar berührte er den Boden, aber die Plasmamasse verwischte und schwang genau an der Stelle zurück, wo sie über den Untergrund aus Stein glitt. Der Rabbi folgte seinem »Sohn« durch die offene Tür. Ein kühler Hauch war auf der Schwelle zurückgeblieben, oder kam es ihm vielleicht nur so vor? Bildete er sich die Dinge ein, weil sie, glaubte man den alten Geschichten, einfach dazugehörten?
    Der Rabbi dachte darüber nicht weiter nach. Vor ihm schwebte die Seele seines Sohnes.
    Er machte sich Vorwürfe. Er hätte Nathan sterben lassen sollen, so hätte er wenigstens seine Ruhe bekommen. Nun bestand er aus einer Doppelexistenz und war regelrecht zerrissen. Kein Mensch mehr, aber auch keine Gestalt aus dem Jenseits.
    Ein Zwischenglied…
    Jehuda hatte zuerst angenommen, daß sie innerhalb des Hauses bleiben würden. Das hatte der Geist nicht vorgehabt. Im Flur wandte er sich nach rechts, weil er sich dorthin bewegte, wo die Haustür nach draußen führte. Auch sie öffnete sich lautlos und ohne daß sie jemand berührt hätte. Der Rabbi konnte an der schmalen Gestalt vorbeischauen und erkannte die Dunstschwaden, die sich teppichartig ausgebreitet hatten, als wollten sie dem Friedhof eine Gruselkulisse bieten.
    Die Seele schwebte weiter und war kurze Zeit später verschwunden. Eingetaucht in den Dunst, hatte sie sich mit ihm verbunden, ohne daß sie genauer erkannt werden konnte.
    In der Tür blieb der Rabbi stehen. Er wußte nicht, in welche Richtung er sich wenden sollte. Er konnte nach rechts gehen, um die Synagoge herum, er konnte aber auch den Weg in die entgegengesetzte Richtung einschlagen, dann würde er auf den Friedhof gelangen, wo die Mitglieder der Gemeinde beigesetzt wurden.
    Bestimmt nach rechts…
    Nie hatte der Rabbi Furcht verspürt, den alten Friedhof zu betreten. Für ihn war er stets ein Ort der Besinnung und der Meditation gewesen, ein

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