061 - Der Zinker
ich euch beide tot sehen als erleben, daß mein Mädchen unglücklich wird und wie ihre Mutter vor Kummer stirbt. Ich kann Sie gut leiden, Leslie, ich will das nicht verschweigen, Sie sind ein Mann, und ich hoffe, Sie sind ein anständiger Mann. Ich weiß, daß ich nicht umsonst an Ihre Ehrenhaftigkeit appelliere. Ich werde Ihnen den Scheck gleich geben, die Banken schließen nicht vor drei. Sie können England noch heute abend verlassen.«
John Leslie schüttelte den Kopf.
»Ich werde nichts Derartiges tun. Sie können mich für keine Geldsumme aus England herausbringen, und zwar aus einem sehr guten Grund. Aber, wenn es nun einmal sein muß, will ich eine Art Vertrag mit Ihnen machen. Ich gebe Ihnen das Versprechen, keinen Versuch zu machen, Beryl bis zum Vorabend ihrer Hochzeit zu sehen. Wann wird sie stattfinden?«
»Nächsten Donnerstag«, antwortete Friedman, nachdem er einen Augenblick nachgedacht hatte.
»Gut. Erlauben Sie mir dann, daß ich Mittwochabend in ›Hillford‹ vorspreche?«
Lew Friedman zögerte, doch schließlich gab er nach. Daß er keine Bedingungen an seine Zusage knüpfte, hätte einen Mann von Leslies Erfahrung eigentlich stutzig machen müssen.
»Was Ihre zweitausend Pfund, betrifft, so behalten Sie das Geld ruhig. Halten Sie sich an unsere Abmachung, und auch ich werde mich streng daran halten.«
13
Leslie hatte das Restaurant kaum verlassen, als Friedman mit Frank Sutton telefonierte. Sie sprachen etwa zehn Minuten miteinander, und die Unterhaltung endete zu Lews größter Zufriedenheit. Sein Wagen wartete vor dem Lokal, und er fuhr nach Wimbledon zurück.
Beryl war in ihrem Zimmer, als er nach Hause kam, aber später erschien sie zum Tee. Ihre Sorge, wie Lews Gespräch mit John ausgegangen war, zerstreute sich, als er sie ebenso freundlich wie sonst begrüßte.
Er goß ihr den Tee ein, den er immer selbst zubereitete, denn er bildete sich ein, daß niemand dies besser verstünde als er.
»Meine liebe Beryl, du bist ein ganz nichtsnutziges Mädchen! Diese Flunkerei - nun gut, ich habe eine kleine Unterhaltung mit dem Jungen gehabt. Er ist mir nicht mal unsympathisch. Es ist etwas in seinem Charakter, das mich trotz seiner dunklen Vergangenheit anzieht. Ich bilde mir natürlich keinen Augenblick ein, daß Frank ihn bessern wird. Aber wenn ich je auf die Idee verfiele, einen verdorbenen Menschen bessern zu wollen, wäre Leslie der erste, mit dem ich den Versuch machen würde.«
Diese Unterhaltung war ihr höchst unangenehm, und das einzige, woran sie nicht denken wollte, war Johns Vergangenheit.
»Warst du sehr hart zu ihm?«fragte sie.
»Nein, im Gegenteil, sehr liebenswürdig. Ich habe ihm sogar ein paar tausend Pfund angeboten, damit er ein eigenes Geschäft anfangen könnte, aber er hat es abgelehnt.«
»Was sollte er dafür tun? Welche Bedingung hast du ihm gestellt?«
»Ich verlangte von ihm, daß er das Land verläßt und dich und Frank nicht mehr belästigt.«
Ein langes Schweigen folgte. Sie hatte so etwas vermutet.
»Er weigerte sich nicht nur, das Geld zu nehmen, sondern lehnte auch alles andere ab, was ich von ihm verlangte. Ich konnte ihn nur dazu bringen, daß er mir versprach, dich bis zum Vorabend deiner Hochzeit nicht mehr zu treffen.«
Sie wußte aus Erfahrung, daß immer, wenn er so laut sprach wie eben jetzt, unweigerlich eine wichtige Mitteilung nachfolgte.
»Also, morgen ist der Tag vor deiner Hochzeit, Beryl - ich möchte, daß du Frank am Samstagvormittag heiratest.« Er sah, daß sie blaß wurde und nervös zusammenzuckte. »Du weißt, wie ich darüber denke - ich möchte, daß es schnell vorüber ist. Ich habe mit Frank telefoniert, er war genauso dagegen wie du, so rasch schon Hochzeit zu machen, denn er hatte alle seine Vorbereitungen getroffen, um am Donnerstag zu reisen. Aber er ist in der glücklichen Lage, sein Geschäft verlassen zu können, wann immer es ihm beliebt. - Willst du mir nun diesen Wunsch erfüllen, Beryl?«
»Ich soll schon übermorgen heiraten?«
Er sah sie unverwandt an und konnte den Kampf nachfühlen, der in ihr vorging.
»Vielleicht hast du recht«, sagte sie mechanisch.
Er klopfte ihr liebevoll auf den Arm. Gleich darauf ging sie hinauf in ihr Zimmer.
Was sollte sie tun? Mit John telefonieren? Und wenn sie mit ihm telefonierte - was konnte sie ihm sagen, was konnte sie tun? Sie wurde ja nicht gegen ihren Willen verheiratet, sie hatte sich mit Frank aus freien Stücken verlobt, und sie heiratete auch keinen Mann,
Weitere Kostenlose Bücher