061 - Der Zinker
es ihm ausrichten.«
Gleich nachdem sie verschwunden war, erschien Friedman unten in der Halle. Er hatte verschiedene Telegramme aufgesetzt, die er Tillman, der sich für weitere Dienste anerboten hatte, übergab.
»Geben Sie die Telegramme auf und gehen Sie dann ins Büro zurück - hier haben Sie fünf Pfund!«
Mr. Tillman hob abwehrend die Hand.
»Nein, ich danke Ihnen, Mr. Friedman, es war mir ein Vergnügen, daß Sie mich für den kleinen Dienst ausersehen haben, ich werde mich voraussichtlich mein ganzes Leben lang an den heutigen Tag erinnern.«
»Nun gut -«, sagte Lew. »Waren Sie vorhin am Telefon - ist noch etwas über Leslie bekanntgeworden?«
»Nichts, man liest nur in den Abendzeitungen, daß Barrabal den Fall in der Hand hat.« Er lächelte. »Aber dies bezweifle ich sehr.«
Lew schaute ihn mißtrauisch an.
»Wie kommen Sie darauf? Was wissen Sie über Barrabal?«
»Wer weiß schon irgend etwas über irgendwen?« fragte Tillman ausweichend. »Aber ein Mann in seiner Stellung, ein Mann, der nicht darauf erpicht ist, in die Öffentlichkeit zu kommen, wird sich kaum mit Leslie befassen. Das ist weiter nichts als eine logische Schlußfolgerung.« Er kratzte sich an der Stirn. »Wissen Sie, Mr. Friedman, wenn es Sie nicht stört, möchte ich hierbleiben, bis die jungen Leute fort sind. Vielleicht kann ich noch irgendwie nützlich sein.«
»Gut«, sagte Lew, nachdem er einen Augenblick nachgedacht hatte. »Sie können hierbleiben. Aber geben Sie erst die Telegramme auf. Nur weiß ich wirklich nicht, was ich mit Ihnen anfangen soll. Amüsieren Sie sich im Billardzimmer, wenn Sie wollen - spielen Sie?«
Tillman erwiderte ohne Begeisterung, daß er ein wenig mit den Bällen umzugehen wisse. Lew Friedman wanderte ein paar Minuten ziellos von Zimmer zu Zimmer, zögerte einen Moment am Treppenfuß, ging dann rasch nach oben und klopfte an Beryls Tür.
Sie hatte in den Garten hinausgeschaut und stand noch am Fenster, als er hereinkam.
»Wie geht es dir, Liebling?«
»Und wie geht es dir, Liebling?« neckte sie ihn, obschon ihr nicht nach Scherzen zumute war.
Er nahm ihre Hand.
»Es wird schon alles gut werden. Ich möchte dir etwas sagen, das dich freuen wird.«
Sie sah ihn teilnahmslos an und konnte sich nicht vorstellen, worüber sie sich in diesem Augenblick hätte freuen sollen.
»Ich habe meinen Anwalt beauftragt, für unseren unglücklichen Freund den tüchtigsten Verteidiger zu engagieren.«
Ihre Augen leuchteten kurz auf und füllten sich dann mit Tränen.
»Wie lieb von dir, Lew!« antwortete sie leise und drückte seine Hand. »Ist es nicht ganz unvorstellbar, daß ein Mann wie - wie John Leslie - so gemein sein soll? Nicht, daß er ein Dieb oder Hehler ist, hat mich so verletzt, sondern daß er ... Das ist das Abstoßende - ein Verräter, der das Vertrauen von Menschen mißbraucht!« Sie sah wieder in den Garten hinunter. »Ich kann es nicht glauben.«
Lew war erstaunt.
»Du glaubst es nicht? Aber Beryl, er hat doch selbst zugegeben, der Zinker zu sein - du hast es ja gehört!«
»Nein, ich erinnere mich, jetzt - der Sarkasmus in seiner Stimme. Es ist seine Art, anderen Leuten einfach recht zu geben. - Wo ist mein - Mann? Das klingt entsetzlich sonderbar, nicht wahr?«
»Er ist in die Stadt gegangen«, beeilte sich Lew zu erklären. »Du weißt, mein Liebling, daß alles in solcher Eile gekommen ist, und er hat so viel zu tun, weil Leslie fehlt. Frank muß Ersatz für ihn suchen.«
Es regnete, ein feines, dichtes Geriesel aus schweren Wolken. Es würde die ganze Nacht regnen - wenn sie auf dem Weg nach Schottland war, wenn John Leslie sich auf seinem harten Lager hin und her warf. Sie schloß die Augen. Lew spürte, woran sie dachte.
»Denk doch nicht immer wieder daran!« Um sie auf andere Gedanken zu bringen, fragte er scherzend: »Mein Liebling, weißt du, wieviel du mich heute gekostet hast? Ein kleines Vermögen! Vierzigtausend Pfund!« versicherte er pathetisch. »Und das noch ohne deine persönliche Aussteuer. Ich habe Frank einen Scheck über zwanzigtausend Pfund gegeben. Er schickte gleich seine Sekretärin damit zur Bank. Er ist ein kluger Kopf, dieser Frank. Er zeigte mir den Plan, wie er sein Geschäft erweitern will -er wird noch Millionär werden!«
Plötzlich unterbrach sie ihn und zeigte aus dem Fenster.
»Wer ist das?«
Vom Fenster aus konnte man über den Gartenzaun auf die Straße sehen. Eine kleine Gestalt, in braunem Regenmantel stand dort, einen alten
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