0702 - Die Nacht der bösen Frauen
Haaren und einem Kopftuch. Sie schaute Suko an, dann Marek und bewegte heftig ihre Arme. Die Frau trug einen ärmellosen Kittel und roch stark nach Knoblauch. Ihre Schimpfkanonade senkte sie zu einem Flüstern und deutete mehrmals auf den Jungen, der wohl ihr Enkel war.
»Bitte«, sagte Marek, »bitte, beruhigen Sie sich. Wir wollen Ihnen und Ihrem Enkel nichts tun.«
»Ach ja?«
»Keine Sorge. Wir haben nur Ihr Haus ausgewählt, um uns von hieraus einen gewissen Überblick verschaffen zu können. Sie wissen, was auf der Straße geschehen ist?«
Die Alte bestätigte. »Ja, das weiß ich.« Sie streckte Frantisek ihren rechten Zeigefinger entgegen.
»Ich habe das Feuer gesehen, aber ich sage Ihnen, daß dies nicht alles ist. Nein, das ist nicht alles, ich weiß es genau.«
»Was gibt es denn noch?«
»Das Böse!« flüsterte sie. »In diesen Ort ist das Böse gekommen. Furchtbare Dämonen haben von Plakac Besitz ergriffen. Diese Stadt ist verflucht, sie ist dem Teufel geweiht. Kein Einwohner läßt sich auf der Straße sehen. Sehr bald wird es dunkel sein, und damit beginnt die Nacht des Grauens. Die langen Stunden der Angst werden kommen, und sie werden vor nichts und niemandem Halt machen. Ich weiß das alles ganz genau, und ich werde mich hüten, auch nur etwas zu tun, was die anderen Mächte böse stimmen könnte. Ich werde nur beten.«
Der Pfähler blieb gelassen und sehr ruhig. »Das ist sogar gut, liebe Frau. Sehr gut. Aber dürfen wir trotzdem ihre Wohnung betreten und einen Blick nach draußen werfen?«
Sie schüttelte den Kopf und fragte: »Was haben Sie da gesagt? Sie wollen nach draußen schauen?«
»Ja. Ist das so ungewöhnlich?«
»Und ob«, flüsterte sie. »Niemand hat bisher…«
»Bitte!« Wenn er wollte, konnte Marek sehr weich und freundlich wirken, dann hatte er alles Knurrige abgelegt, und auch die Frau erbarmte sich seiner.
»Ja, Sie können kommen. Aber was ist das für ein Mann, der da bei Ihnen ist?«
»Ein Freund.«
»Der nicht von hier kommt - oder?«
»Nein, aus China.«
»Wie heißt er denn?« Die Fragerin staunte Suko an, als wäre er ein exotisches Geschöpf, was auch für sie stimmte, denn sie hatte sicherlich noch keinen Chinesen in Plakac gesehen.
Marek stellte sich und Suko vor, und sie erfuhren, daß die Frau Eva hieß.
Dann gab sie die Tür frei.
Ihr Enkel lächelte, als die beiden Männer über die Schwelle traten. Der Schein zweier Kerzen fiel über sein Gesicht und hinterließ Licht als auch Schatten. Die Kerzen brannten auf einem kleinen Altar, der außerdem das Bild der Mutter Gottes zeigte.
Ansonsten gab es keine Lichtquellen in dem kleinen Zimmer. Eva berichtete ihnen, daß die Eltern des Jungen in Urlaub gefahren waren und sie mit dem Kind allein war.
»Weshalb brennen die Kerzen?« fragte Marek.
»Zum Schutz gegen das Böse.«
»Ist schon gut.«
Suko ging lächelnd an Eva vorbei. Er hatte längst das Fenster in Augenschein genommen, von dem aus er die schmale Gasse einsehen konnte, in der sich alles abgespielt hatte.
Der Inspektor trat dicht an das Fenster heran. Es besaß noch einen Kreuzrahmen. Die Scheibe war an den Rändern mit Kitt verbunden. Alles war wie früher.
Er schaute hinaus.
Nirgendwo brannte Licht. Die Menschen in den anderen Häusern hatten sich wirklich zurückgezogen und hofften, daß die dicken Mauern das Böse würden abhalten können.
Von den Spuren des Dramas, das sich unten in der Gasse abgespielt hatte, war nichts mehr zu sehen.
So schnell wie die Hexen gekommen waren, hatten sie sich auch wieder verflüchtigt.
Aber sie waren noch da, das spürte Suko, auch wenn er sie momentan nicht zu Gesicht bekam.
Er drehte sich um.
Wie eine Statue aus Holz stand Frantisek Marek hinter ihm und schaute ihn an.
Suko schüttelte den Kopf.
»Nichts?«
»So ist es.«
Marek senkte den Kopf. Er krampfte seine Hände zusammen. »Aber sie sind noch da«, sagte er, »das spüre ich genau. Sie haben den Ort bestimmt nicht verlassen.«
»Damit rechne ich ebenfalls.«
»Wo sollen wir suchen?«
Suko schaute zu Boden. »Ich weiß es nicht, Frantisek. Aber ich gehe davon aus, daß sie uns jagen werden, und ich möchte nicht, daß wir Unschuldige in Gefahr bringen. Wir sollten uns als Köder zur Verfügung stellen, aber nicht in den Häusern.«
»Als Köder und verbrennen - oder?«
»Das eben nicht.«
Marek nickte. »Für mich sieht das so aus«, erklärte er. »Assunga wird kein Interesse mehr daran haben, die Bewohner zu
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