0741 - Im Haus der Ghouls
Wege.«
»Gern.«
Die Telefonnummer des Hauseigentümers kannten die beiden Schwestern auswendig. Als Agatha wählte, stand in ihren Augen ein kalter Glanz. Er zeugte davon, daß sie keine Gnade kennen würde.
Typen wie dieser Young durften nicht mehr leben. Gemeinsam würden sie ihn sich vornehmen, das stand schon jetzt fest.
Agnetha war nervös. Sie schaute nur zu, aber sie spürte wieder den Druck in ihren Lippen, die an gewissen Stellen abermals aufplatzten, so daß kleine Blutstropfen hervorquellen konnten. Agnetha wischte sie nicht weg. Auch dann nicht, als sie sich mit den dünnen Schleimfäden vermischten, die aus ihren Nasenlöchern sickerten. Es gehörte dazu, denn sie war beides, Mensch und Ghoul.
Für ihre Schwester war es nicht einfach, die Verbindung zu bekommen. Simon F. Young schien ein vielbeschäftigter Mann zu sein. Sie brauchte zwar nicht noch einmal zu wählen, aber man verband sie hin und her, und Agatha mußte Druck durch Worte machen, bis es ihr endlich gelang, den Richtigen an der Strippe zu haben.
Agnetha sah, wie ihre Schwester aufatmete, und die Ältere sprach auch rasch weiter. Sie konnte ihre Stimme prächtig verstellen. Sie tat so, als wollten die beiden Schwestern aufgeben, als hätte alles keinen Sinn mehr, und sie bat den Hausbesitzer schließlich, selbst zu kommen, damit alles geregelt werden konnte.
Jetzt war es heraus, und nun kam es einzig und allein auf Youngs Antwort an.
Hatten sie ihn richtig eingeschätzt, oder würde er sie sitzenlassen? Agnetha bewegte unruhig ihre Hände. Auf ihrem Nacken hatte sich eine Gänsehaut gebildet. Manchmal huschte die Zunge wie ein rosiges Dreieck aus ihrem Mund und zeichnete mit der Spitze die Lippen nach, wobei ein Schleimfilm zurückblieb.
»Wenn es geht, so schnell wie möglich«, sagte Agatha. Diese Antwort kam schon einer Zustimmung von der anderen Seite her gleich.
»Kommt er?«
Agatha warf ihrer Schwester einen strafenden Blick zu. Dann sprach sie. »Gut, Mr. Young, wir freuen uns, daß Sie so schnell reagiert haben. Und bringen Sie bitte die Verträge mit, damit wir hier alles regeln können.« Danach legte sie auf.
»Er kommt, nicht?« jubelte Agnetha.
»Ja.«
»Wann?«
»Eine Stunde wird es noch dauern, wenn nicht länger. Aber wir werden ihn noch an diesem Tag in unserer Wohnung begrüßen können.« Auch sie leckte sich die Lippen, drehte den Kopf und schielte auf den windschiefen Schrank.
Agnetha hatte verstanden. Sie stand auf, ging hin, öffnete die Tür, die sich nur widerwillig aufziehen ließ, und schob am erhöhten Boden des Schranks eine Klappe zur Seite, denn unter dem Holz befand sich ein kleines Versteck.
Aus ihm holte sie die beiden Eisenstangen hervor. Sie sahen aus wie überlange Meißel, die vorn zugespitzt waren. An den Stangen klebten noch Blutreste.
»Sie haben zu lange Ruhe gehabt«, flüsterte Agnetha.
»Stimmt.«
»Eine für Sinclair, die andere für Young.«
»So ist es richtig.«
Agnetha legte die Stangen auf den Tisch, blieb aber nicht in deren Nähe, sondern drehte sich um und verließ das Zimmer. Ihr Ziel war die Wohnungstür, das sagte sie ihrer Schwester auch, die zurückgeblieben war.
»Was willst du denn?«
»In den Flur schauen.«
»Und?«
Agnetha gab keine Antwort. Sie hatte die Tür erreicht und drückte sich etwas in die Höhe, damit sie bequem durch den Spion schauen konnte. Die Optik war für sie ideal, denn sie überblickte fast den gesamten Flur von der Haustür bis hin zur Treppe.
Sie sah nichts, aber sie hörte Tritte. Das Haus hatte niemand betreten, die Geräusche drangen von der linken Seite her an ihre Ohren. Und dort lag die Treppe.
Da kam jemand.
Ein Mann!
Agnethas Körper verzog sich, als sie den Mann erkannt hatte. Es war ausgerechnet Sinclair, der seine Wohnung verlassen hatte, und das wiederum ärgerte sie. Wenn er jetzt noch aus dem Haus ging, konnte er damit ihren gesamten Plan gefährden.
Was tun?
Sinclair hatte das Ende der Treppe erreicht. Jetzt brauchte er nur geradeaus weiter zu gehen, um die Tür zu erreichen, das aber tat er nicht. Er blieb etwa einen Schritt vor der ersten Stufe stehen, überlegte, schaute sich um und hatte schließlich einen Entschluß gefaßt.
Sinclair ging in die entgegengesetzte Richtung.
Er wollte in den Keller…
Himmel, in den Keller! Das war die Chance. Da ging er ja freiwillig in die Falle.
Agnetha spürte die Aufregung. Etwas drückte in ihr Gesicht und nahm ihm die Blässe. Es drückte auch gegen die Lippen,
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