0766 - Das Grauen von Grainau
zahlreichen Gräber vor ihm. Wie ein Gemälde zeichnete sich der Bau der Kirche ab. Sie schob ihren Turm wie einen Wächter in den Himmel, der aber wohl über den Friedhof hinwegschauen, aber nicht in die Gräber hineinsehen konnte, wo ein Toter längst nicht mehr in seiner tiefen Ruhe lag.
Mario war zufrieden. Wenn man ihn beobachtet hätte, hätte ihn derjenige wohl auch angesprochen.
Und daß sich Liebespaare auf dem Friedhof vergnügten, daran wollte er wiederum nicht glauben.
Orte wie diese waren für Pärchen einfach zu unheimlich.
Das Grab blieb für ihn offen. Er hatte die Kräfte gerufen, und sie ließen ihn nicht im Stich. Also konnte er auch weiterhin in die Tiefe schauen und sich die unheimlichen Vorgänge genau anschauen.
Die Leiche des Soldaten lag nicht mehr an ihrem ursprünglichen Platz. Sie hatte sich etwas gedreht, um eine bessere Position einnehmen zu können. Das war auch wichtig für sie, denn nur so konnte sie den Arm anheben und ihn einem gewissen Ziel entgegenstrecken.
Es war der Gärtner!
Mario konnte es kaum fassen, mußte auch zweimal hinschauen, um zu wissen, daß er sich nicht geirrt hatte. Dem Zombie war es tatsächlich gelungen, seinen Arm so weit zu heben, bis er den Körper berühren konnte.
Dabei war es nicht geblieben. Er hatte seine kalte Totenklaue sogar um die Hüfte geklemmt. Wie ein Raubtier, das sein Opfer auf keinen Fall loslassen wollte.
Mario rührte sich nicht. Dennoch war er aufgeregt und aufgeputscht. Als äußeres Zeichen dessen hatte er seine Hand angehoben und sie mit dem Ballen gegen seine Lippen gepreßt. Er wollte jede Reaktion sofort stoppen, selbst ein Stöhnen sollte nicht aus seinem Mund dringen. Und so hielt er sich zurück in seiner eigenen Klammer, schaute nur nach, was noch geschah.
Er hatte nicht damit gerechnet, daß ihm derartige Vorgänge präsentiert werden konnten. Das war für ihn einfach unbeschreiblich. Sogar ein Gefühl des Glücks spürte er.
Mario sah die Finger deutlich. Sie sahen aus wie graue Steine, so starr und unbeweglich. Sie rückten vor. Den Daumen konnte er nicht sehen, aber alle Finger ruckten nach vorn, um den Griff noch härter werden zu lassen.
Dann erfolgte der Druck.
Der tote Gärtner bewegte sich zur Seite, weil er diesem Zug einfach folgen mußte.
Er kippte leicht.
Mario konnte nicht mehr in das entsetzte Gesicht schauen. Es verschwand aus seinem Blickfeld.
Dafür griff die Hand noch weiter zu. In Etappen und dabei zuckend wanderte sie über den Rücken der Leiche, damit sie den Toten noch fester in ihren Griff bekam.
Es klappte alles wie geplant.
Der Zombie zog die Leiche zu sich heran.
Näher und immer näher…
Mario erwachte aus seiner Erstarrung. Er richtete sich dabei auf. Erst jetzt konnte er tief durchatmen, ohne sich allerdings besser zu fühlen. Gewisse Gedankengänge durchzuckten ihn. Trotz seines einschneidenden Erlebnisses hatte er den Sinn für die Realität nicht verloren. Er ging davon aus, daß der Tote Platz brauchte, um das Grab verlassen zu können. Noch lag ihm die Leiche im Weg, aber der Zombie würde sich den nötigen Platz verschaffen, davon ging Mario aus.
Er würde etwas Schreckliches tun…
Der Junge schaute noch einmal hin.
Das Bild war nicht mehr so klar wie zuvor. Ein Schatten hatte sich innerhalb des tiefen Vierecks ausgebreitet, denn der alte Zustand war dabei, wieder zurückzukehren. Es sollte nicht mehr so sein, daß ihm alles präsentiert wurde.
Die Dunkelheit des Grabes kehrte zurück.
Noch einen letzten Eindruck konnte Mario Davies mit auf den Weg nehmen. Der sagte ihm eigentlich genug. Er machte ihm klar, daß es der Zombie trotz des Hindernisses schaffen würde, den Weg aus dem Grab einzuschreiten.
Der lebende Tote hatte sein Opfer zu packen bekommen und es an sich gerissen. Es lag fast auf ihm.
Mario konnte von dem Zombie nicht viel erkennen, was er allerdings sah, das reichte völlig.
Die lebende Leiche hatte den Mund weit aufgerissen…
Da wußte Mario, wie er es schaffen würde, das Grab zu verlassen. Eigentlich hätte das Entsetzen in ihm hoch steigen müssen, das passierte bei ihm nicht. Statt dessen dachte er so schrecklich logisch.
Er sagte, daß es tatsächlich die einzige Chance war, denn das Grab war zu eng. Nur so ging es.
Er schaute noch einmal hin.
Nichts war mehr zu sehen.
Das Grab hatte sich wieder geschlossen oder aufgefüllt. Er blickte gegen die normale Oberfläche, die noch immer so aussah wie vor dem unheimlichen Geschehen und sich
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