0766 - Das Grauen von Grainau
waren der beste Beweis.
Würde die Organisation italienische Killer schicken? Davon konnte ich ausgehen, denn das Land lag nicht sehr weit entfernt. Ein Rutsch über die Brenner-Autobahn, und man war da.
Aber auch in Deutschland hatte die Mafia mittlerweile Fuß gefaßt. An verschiedenen Orten versuchte sie, italienische Verhältnisse einzuführen. Einschlägige Berichte über Morde, Brandanschläge und andere Taten hatten auch die deutsche Öffentlichkeit erschreckt, so daß das Problem Mafia zu einer öffentlichen Diskussion geworden war. Auf der Fahrt hierher hatte ich noch einen Kommentar über das Thema gehört, und die Aussichten waren nicht eben optimistisch gewesen.
Ich war für die Mafia ebenfalls kein Unbekannter mehr und hatte mit ihr so meine Erfahrungen gesammelt. Dies schon seit Jahren, da brauchte ich nur an den Londoner Mafiachef Costello zu denken.
So hatte ich mir dann selbst meine erste Freude getrübt, als ich das Zimmer verließ. Das Mädchen saugte nicht mehr, im Gang war wieder Ruhe eingekehrt, und ich ging eine Tür weiter, wo die Familie Davies wohnte. Da spielte ich den Lauscher an der Tür. Ich wollte zumindest hören, ob sie sich in der Suite aufhielten.
Verstehen konnte ich nichts. Bei diesem Wetter waren sie sicherlich draußen. Es wäre schon einer Sünde gleichgekommen, sich nicht im Freien aufzuhalten.
Es war Mittagszeit, ich hatte Hunger und entschloß mich, auf der Terrasse einen kleinen Imbiß einzunehmen. Das strahlende Wetter lockte, und um die Tische herum waren die Sonnenschirme aufgespannt worden. Dennoch gab es genügend Lücken, um über die Mauer hinweg auf den tiefer liegenden See schauen zu können. Ich hatte Glück. Ein Vierertisch war noch frei. Mit Blick auf den See ließ ich mich dort nieder und stemmte einen Arm auf den Oberschenkel. Meine Haltung sollte entspannt und gelassen wirken. Mit ebenso gelassen wirkenden Bewegungen holte ich mir die kleine Mittagskarte her, überflog sie und stellte fest, daß man regionale Gerichte anbot.
Auf Knödel, Schweinebraten, Sauerkraut und Weißwürste wollte ich diesmal verzichten. Ich entschied mich für einen bayrischen Wurstsalat und wartete auf den Ober.
Er kam, verbeugte sich, strich dann wieder die eine Haarsträhne zurück, die ihm immer wieder in die Stirn fiel, wollte erst die Getränkebestellung aufnehmen, aber ich bestellte beides. Zum Salat wollte ich mir ein Weizenbier gönnen.
Er verschwand.
Mein Blick glitt in die Runde. An den Tischen saßen die Urlauber. Viele Familien, die mit ihren Kindern ausspannten, aber auch Ehepaare und Einzelreisende sah ich. Zumindest ging ich bei denen davon aus, die allein an einem Tisch saßen.
Mein ›Weizen‹ kam, ich nahm den ersten Schluck, zündete mir eine Zigarette an und verfolgte den zackigen Flugweg einer Wespe, die in Richtung See unterwegs war. Automatisch schaute ich auch dorthin. Es herrschte nicht mehr so viel Betrieb am und im Wasser, es war Essenszeit.
In einem Liegestuhl lag eine Blondine oben ohne. Sie wurden von einem braungebrannten Schönling eingecremt und bewegte ihren Körper wohlig und lasziv unter den streichelnden Händen. Das alles wirkte schon eher wie ein Vorspiel.
»Der Wurstsalat, bitte.« Mir wurde der Teller vor die Nase gestellt, und ich bekam einen feuchten Gaumen, als ich die Mahlzeit sah. Sie sah sehr gut aus. Zwischen der in Streifen geschnittenen Wurst verteilten sich Gurkenstücke, ich probierte, war zufrieden und aß dann richtig. Für die nächsten Minuten hatte ich meinen Job vergessen. Irgendwo muß der Mensch ja auch mal Mensch sein.
Bis ein etwas kompakter Schatten über meinen Tisch fiel und mich zwang, aufzuschauen.
Im ersten Moment war ich irritiert, denn vor mir standen zwei Frauen. Sie trugen ihre Badetaschen an langen Riemen über die Schultern gehängt, und lächelten. Sie röchen nach dem Sonnenöl, mit denen sie sich eingerieben hatten.
»Sind hier noch Stühle frei?« wurde ich von der Blonden gefragt. Sie sprach mit amerikanischem Akzent, und ich antwortete ihr in meiner Heimatsprache.
Für einen Moment blinzelte sie. »Oh, ein Landsmann?«
»Engländer.«
Die Blonde lachte. »Wir sind aus den Staaten. Wisconsin…«
»Kenne ich - von der Landkarte.« Ich erhob mich. »Bitte, wenn Sie Platz nehmen wollen…«
Sie bedankte sich, und ich kam endlich dazu, mir die Lippen abzutupfen.
Die beiden Frauen zeigten ihr Interesse an mir nicht überdeutlich, aber sie ließen sich Zeit beim Hinsetzen, stellten
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