0773 - Die Macht der Templer
ich nach.
Der Templer nickte. »Ja, er.« Der Blick seiner dunklen Augen zeigte Erstaunen. »War das nicht zwischen Ihnen beiden abgesprochen?«
»Auf keinen Fall. Das war auch nicht möglich. Wir sind getrennt worden.« Ich schüttelte den Kopf, musste die Gedanken ordnen.
Was ich eben erfahren hatte, war ein starkes Stück, und ich wollte von dem Templer wissen, wie es ihm ging, ob er okay war.
Der Mann schabte über seinen Bart. »Das ist so eine Sache, wissen Sie.«
Ich ging einen Schritt auf ihn zu. Die Antwort hatte mich in leichten Aufruhr versetzt. »Wie meinen Sie das? Was ist mit ihm passiert?«
Er hob zur Abwehr beide Hände. »Moment, es geht ihm gut. Ja, es geht ihm gut.«
»Aber…?«
»Kein großes Aber. Er – er saß auf dem Knochenstuhl wie festgeleimt. Er konnte sich nicht wehren. Der Stuhl hat ihn angegriffen. Er hat seine Lehnen erhoben, und die knochigen Finger haben sich um Sukos Hals gekrallt. Wir sahen das Blut. Er konnte sich nicht wehren. Die Finger waren zu hart, aber er hat es geschafft. Er war nur verletzt. Suko lebt, Mr. Sinclair.«
Ich schloss für einen Moment die Augen. »Wie schwer oder wie leicht ist er verletzt?«
»Leicht.«
»Ach ja?«
Der Templer nickte heftig. »Wir haben ihn verarztet. Die Wunden sind versorgt worden. Er ist wieder okay, er ist auf den Beinen und hat sich mit dem Abbé zusammengetan. Wie ich hörte, hat er schon mit London Kontakt aufgenommen.«
Mein Gesicht zeigte ein erleichtertes Lächeln. Ich schaute Rose Cargill an. »Hast du es gehört?«, fragte ich sie.
»John, alles klar. Dein Freund lebt! Du brauchst dir keine Sorgen mehr zu machen.«
Ich lachte leise und schlug dem Templer auf die Schulter. »Nichts für ungut, alter Freund. Ich bin nur im Moment ziemlich durcheinander. Hinter uns liegt keine Spazierfahrt, und der verdammte Skelett- Sessel raubt mir noch den letzten Nerv. Dabei habe ich ihn für einhundertvierzigtausend Dollar ersteigert.«
»Was?«, rief Rose. »So vermögend bist du?«
»Vermögend?« Ich gab die Antwort lachend. »Das stimmt nicht. Ich habe mir das Geld geliehen.«
»Tolle Bank.«
»Auch nicht. Ein Freund hat mir die Summe vorgestreckt.«
»Die möchte ich auch mal haben.«
Ich strich über ihre Wange, dann wurde ich wieder ernst und wandte mich an den Templer. »Sie haben mich mit einer guten Nachricht versorgt. Versuchen Sie es weiter.« Die Spitze meines Zeigefingers berührte seine Brust. »Wo finde ich Suko?«
»Es ist beim Abbé.« Er räusperte sich. »Sie müssen in die Bibliothek gehen.«
»Danke, den Weg finde ich.«
»Soll ich mitkommen?«, fragte die Fotografin. Sie machte einen etwas abwartenden Eindruck, als wolle sie nicht stören.
»Sicher kommst du mit. Mit gegangen, mit gehangen.«
»Bitte.«
Wir mussten durch den kahlen Gang gehen. Auch an der schmalen, nach oben führenden Treppe vorbei. Ich sah das große schlichte Holzkreuz an der Wand des Treppenhauses, und so etwas wie schaurige Ehrfurcht befiel mich bei diesem leicht düster wirkenden Anblick.
Wie es sich gehörte, war die Tür zur Bibliothek verschlossen. Und wie es sich weiterhin gehörte, klopfte ich an, ohne jedoch eine Reaktion zu hören.
»Ist da niemand?«
Ich nickte Rose zu. »Keine Sorge, wir werden hineingehen.«
Abgeschlossen war die Tür nicht. Ich drückte sie rasch auf. Irgendein Gefühl trieb mich voran. Noch vor der Fotografin betrat ich den Raum.
Bücher, viele Bücher.
Sie interessierten mich nicht. Wichtig waren allein die beiden Männer, und noch wichtiger war der Knochen-Sessel, auf dem tatsächlich ein silbernes Skelett hockte.
»Hector…«, stöhnte ich …
***
Im Prinzip gab es keine andere Lösung! Das musste Hector de Valois sein. Oder nur eine magische Projektion von ihm, denn auch so etwas war möglich.
Suko und der Abbé standen vor dem Sessel, ohne sich um einen Millimeter zu bewegen. Der Anblick hatte sie getroffen, sie wussten beide nicht, was sie denken, geschweige denn reden sollten. Auch Suko begriff den Vorgang nicht, obwohl er den Sessel selbst als Transportmittel benutzt hatte. Doch so tief war er in seine Geheimnisse nicht eingeweiht worden. Er wusste nicht, was er denken sollte, dafür regte sich der Abbé, der körpernah bei ihm stand.
»Suko!«, flüsterte er erstickt. »Auf dem Sessel hockt das silberne Skelett. Das – das weiß ich nicht nur, das kann ich sogar sehen. Ja, ich erkenne es.«
»Ich sehe es auch.« Suko wollte sich schon intensiv um die Gestalt kümmern, als
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