0793 - Als der Engel Trauer trug
war eine bezeichnende Geste, denn wenn ich ehrlich mir gegenüber war, so fühlte ich mich ziemlich unwohl.
Einiges stimmte nicht, andere Dinge wiederum brachte ich nicht in die richtige Reihenfolge. Ich hatte einfach zu wenige Informationen, um etwas bewirken zu können. Da musste ich mich schon auf die andere Seite verlassen, damit sie sich öffnete.
Ich kannte den Namen der Verstorbenen. Ich wusste, dass fünf Kinderleichen geraubt worden waren. Meiner Ansicht nach kam nur die verstorbene Kindergärtnerin in Frage. Warum aber hatte sie das getan?
Da stand ich wie vor einer Mauer. Ich konnte die Frage einfach nicht beantworten.
Der Sergeant schaute noch immer zum nebligen Himmel hoch, ohne jedoch etwas zu sehen. Dieser seltsame Engel hatte kein Interesse daran, sich zu zeigen. »Ich werde hier noch verrückt«, sagte er.
»Verdammt noch mal, ich drehe bald durch.«
»Dann sollten wir gehen«, schlug Suko vor.
»Ach ja?«
»Möchten Sie bleiben?«
Unbehaglich schaute Drugg sich um. »Nein, eigentlich nicht. Nur hatte ich gedacht, dass wir so etwas wie eine Lösung finden würden, aber das war wohl nichts.«
»Da haben Sie Recht.«
»Was soll ich jetzt machen?«
»Sie gar nichts mehr«, sagte ich ihm. »Wir werden wieder zurück nach Coyne fahren, und dort werden wir die Spur der Toten aufnehmen, das heißt die Spur der damals noch lebenden Jenna Wade. Es könnte ja sein, dass wir in ihrer Hinterlassenschaft einen Hinweis finden.«
»Die wird es kaum noch geben.«
»Wo hat sie denn gewohnt?«
»Sie werden lachen. Man hat ihr zwei Zimmer im Gebäude des Kindergartens zur Verfügung gestellt. Kleine Räume über den Spiel und Aufenthalts…«
»Hier in Coyne?«
»Natürlich.«
»Lassen Sie uns hinfahren.«
»Wie Sie wollen.«
Diesmal dauerte es nicht so lange, bis wir den Wagen erreichten.
Den Engel hatten wir nicht mehr gesehen. Wir sahen ihn auch nicht während der Fahrt durch den Ort, obwohl Suko und der Sergeant immer wieder aus dem Fenster schauten und sich dabei die Hälse verrenkten.
Ich musste in Richtung Kirche fahren. In einer Nebenstraße, nicht weit vom Schulgebäude entfernt, befand sich der Kindergarten. Davor breitete sich ein großer Platz aus, auf dem wir den Wagen abstellen konnten.
»Das ist eine Tagesstätte«, sagte der ausgestiegene Sergeant, als er auf die zahlreichen Fahrräder deutete, die in den Ständern standen.
Es waren Kinderräder, die meisten von ihnen hatten sogar Stützräder.
»Dann sind die Kleinen noch da?«, fragte ich.
»Wird wohl so sein.«
Die braune Holztür war nicht abgeschlossen. Wir zogen sie auf und wollten normal in den Flur, als wir wie auf Befehl stoppten.
Etwas war anders.
Wir wussten auch, was uns störte. Es war die bedrückende Stille, die sich ausgebreitet hatte.
Keine Stimmen, kein Lachen, kein Gesang. Als der Sergeant den Kopf drehte, da war sein Gesicht blass geworden. Seine blassen Lippen zitterten beim Sprechen. »Das… das verstehe ich auch nicht …«
»Tatsächlich nicht?«
Er hob die Schultern. »Sie müssen doch anwesend sein.«
»Sehen wir nach«, sagte Suko. Er ging als Erster. Es war nicht schwer, sich zurechtzufinden, denn die Tür an der linken Seite führte in den großen Spielraum.
Dort saßen sie alle.
Die Kinder hatten einen Kreis gebildet. Sie saßen sich gegenüber und schauten dabei nur in eine Richtung, nämlich in die Mitte des Kreises hinein, die nicht leer war.
Auf dem Boden hockte eine geisterhafte Erscheinung. Eine bleiche Gestalt im ebenfalls bleichen Totenhemd. Sie hielt einen starren Kinderkörper im linken Arm und hatte das Kleine an sich gedrückt.
Und sie summte dabei ein altes Wiegenlied.
»J… Jenna …«, keuchte der Sergeant, »verflucht, das ist die tote Jenna Wade …«
***
Die Frau lächelte Pete Ashley an, der sich vorkam wie in seinem eigenen Traum gefangen. Obwohl vor ihm ein wahres Superweib saß, fühlte er sich verdammt mies. Er ging zwar in den Raum hinein, bekam es aber nicht richtig mit. Hinter ihm fiel die Tür mit einem leisen Schnacken ins Schloss, dann waren er und sie allein.
»0 Gott«, stöhnte er und wischte über seine Augen. »0 Gott, wer sind Sie?«
Die Frau lachte leise. »Hat man das Ihnen nicht auf dem Flur gesagt? Ich meine, so etwas gehört zu haben.«
»Ja, ja«, stöhnte er. »Das Mädchen sprach dabei von einer Toten…«
»Es hat sich nicht geirrt.«
Er schluckte zweimal. »Du… du … bist tot?«
»Ja.«
»Aber du sitzt vor mir und…«
»Was
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