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0795 - Entführt in die Totenstadt

0795 - Entführt in die Totenstadt

Titel: 0795 - Entführt in die Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Montillon
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auf einem Nagelbrett kauerte… Was man eben in jedem Comic-Strip unter dem Stichwort »blinder indischer Wahrsager« zu sehen bekam. Die Wirklichkeit war - mal wieder - ganz anders.
    Der schwarzhaarige, sauber gescheitelte Mann lehnte überaus korrekt gekleidet in einem hohen Ledersessel. Sein Anzug hätte jedem Staatsmann beim Besuch der englischen Queen Ehre bereitet. Die mit feinen Silberfäden durchzogene Krawatte roch nach mindestens dreihundert Euro.
    Das ganze Zimmer stand in krassem Widerspruch zu dem heruntergekommenen Haus, in dem es sich befand. Ordentliche Tapeten, teuere Echtholzmöbel, eine glänzende Ledercouch… und eine riesige Stereoanlage mit mindestens sechs im Raum verteilten riesigen Boxen, die dem Ganzen die Krone aufsetzten.
    »Willkommen, Zamorra, Vasus Künder«, sagte der Blinde und zeigte seine schneeweißen Zähne mit einem breiten Lächeln. »Und willkommen Nicole Duval, geheimnisvolle Frau, hinter der mehr steckt, als man erahnen kann. Wenn ich dich spüre, dann sehe ich unwillkürlich eine flammende Symbiose.«
    Das FLAMMENSCHWERT, dachte Zamorra erschüttert. Dieser Mann war für einige Überraschungen gut. Es war noch nie vorgekommen, dass jemand die geheimnisvolle Symbiose erahnt hatte, die Nicole mit Merlins Amulett unter gewissen, bislang nicht enträtselten Voraussetzungen eingehen konnte. Sie selbst hätten sozusagen brennend gerne Näheres darüber gewusst.
    Der Wahrsager hatte eine tiefe, wohltönende Stimme. Er mochte etwa vierzig, möglicherweise fünfzig Jahre alt sein. Zamorra leistete Asha Devi im Stillen Abbitte - er war hundertprozentig davon überzeugt worden, dass dieser Mann in dem breiten Ledersessel ihnen sehr wohl helfen konnte. Er verfügte zweifellos über außergewöhnliche Fähigkeiten.
    Nicole gingen seine Worte naturgemäß noch mehr an die Substanz als ihm. Sie schwieg betroffen. Der Wahrsager hatte einen Teil ihres Lebens angesprochen, der auch für sie selbst im Dunkeln verborgen lag.
    Asha blickte Nicole mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ihr konnte es gar nicht gefallen, dass Nicole so hoch eingeschätzt wurde. Sie hatte sie bislang nie ernst genommen, weniger noch als Zamorra, als eigentlich jeden in ihrer Umgebung.
    »Der Grund, weswegen wir hier sind, ist mein Sohn«, stellte Asha ohne Umwege klar. »Nicht wegen dieser Frau, die uns begleitet.«
    »Ich weiß«, wurde ihr geantwortet. »Es wird dir aufgefallen sein, dass ich Zamorra als Vasus Künder begrüßte und nicht mit einer seiner zahlreichen anderen Eigenschaften und Aufgaben.«
    Zamorra fühlte sich bis auf den Grund seiner Seele durchschaut. Was ahnte, was wusste dieser Mann alles über ihn? Das FLAMMENSCHWERT und seine Andeutungen über Zamorra gingen weit über den kulturellen Hintergrund des Wahrsagers hinaus. Erschien nicht nur in die indische Mythologie Einsicht zu haben, sondern jegliche Art von Magie durchschauen zu können. Zamorra schwindelte bei dem Gedanken, diesen Mann über einige Geheimnisse zu befragen.
    »Vasu.« Sinnierend sprach der Inder den Namen des Halbgottes aus. »Sohn von Gandharva und Asha Devi, meiner alten Freundin bei der Demon Police.«
    »Die Zeiten sind vorbei«, meinte Asha.
    Auf den Zügen des Wahrsagers zeichnete sich keinerlei Überraschung ab. Doch er ging nicht auf diese Bemerkung ein. Oder war das fast unmerkliche Nicken, das Zamorra wahrzunehmen glaubte, doch keine Einbildung? Und sprach nicht eine gewisse Trauer aus der Körperhaltung des Blinden?
    Doch dann straffte sich dessen Haltung. »Eine Hand voll als Polizisten verkleideter Verbrecher entführten ihn.« Er schwieg einen Moment. »Es waren Menschen, daran gibt es keinen Zweifel.«
    Damit bestätigte er ihre Vermutungen.
    »Was wollen Menschen von meinem Sohn?«, fragte Asha. Und erst in diesem Moment, als er selbst mit einigem Abstand auf die Entführung blickte, fiel Zamorra das ansehnliche Vermögen von Ramesh Devi, dem Großvater des Entführten, ein.
    »Nichts«, sagte der Wahrsager und fegte mit diesem Wort jeden Gedanken an einen herkömmlichen Kriminalfall beiseite. »Sie handelten nicht aus freiem Willen. Eine Macht steht hinter ihnen, die ihre Taten heraufbeschwor und ihre Schritte lenkte.«
    »Dämonen?«, hakte Zamorra ein.
    »Ich sehe es nicht«, wehrte der Blinde den Einwand kopfschüttelnd ab. »Dämonen oder ihnen zugeneigte Götter.« Sein Gesicht verzerrte sich vor Anspannung, eine kleine Perle aus Schweiß entstand auf seiner Stirn. »Ich sehe es nicht«, wiederholte

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