0831 - Wurzel des Bösen
sage dir nun, dass die Zeit noch nicht gekommen ist. Alles war falsch, doch nun wird es richtig. Geh, senke dich zurück in die Tiefe. Ich werde hier sein, werde auf dich achten. Nun geh, deine Hüterin befiehlt es!«
Zamorra zweifelte an seinem Verstand. Laertes und er hatten schwerste Geschütze gegen die Bedrohung aufgefahren, aber keinen wirklich Erfolg erzielen können. Und Sabeth - die Königin aus lange vergangenen Zeiten -ging seelenruhig bis an den Rand des Schachtes. Ihre Hand berührte den unfertigen Grundstein - und drückte ihn ohne jede Anstrengung in den Boden zurück!
Langsam, im Zeitlupentempo, sank der Stein in die Tiefe. Zamorra und Laertes wagten sich nun näher. Als sie nahe genug am Schacht waren, um hineinzuschauen, konnten sie ihn bereits nicht mehr erkennen, so weit unten musste er schon sein.
Laertes fing Sabeth auf, deren Knie plötzlich nachgaben.
Tränen standen in den Augen der schönen Frau. »Die Gefahr ist gebannt. Die weiße Stadt wird hier nicht entstehen. Es ist vorbei. Laertes, was habe ich nur getan?«
Der Vampir nahm die Königin in die Arme.
Zamorra verstand noch immer nicht. Doch für ihn zählte in erster Linie das Ergebnis, und das war mehr als zufrieden stellend.
***
Nach wie vor herrschte Stille vor dem Zelt.
Alles, was im Inneren geschehen war, schien sich wie in einer eigenen kleinen Welt abgespielt zu haben. Selbst Zamorra hatte keine Erklärung dafür.
Laertes und Sabeth, Zamorra und Brik Simon hatten sich auf Thermomatten gehockt, die der Engländer von den-Tallmanns besorgt hatte. Die dachten wahrscheinlich, das Brik und dieser eigenartige Franzose noch immer ihre Forschungen an den gefundenen Leichen durchführten - auch die ganze Nacht hindurch, wenn es denn sein musste. Aber sie fragten nicht lange, sondern halfen ganz einfach mit dem Gewünschten aus.
Brik fiel das Sprechen schwer.
Laertes und Zamorra hatten ihm erklärt, wer seine Frau Tina in Wahrheit gewesen war. Oder noch war, denn nach wie vor galt sie ja als vermisst.
»Es fällt mir schwer zu akzeptieren, dass Tina diese Hüterin gewesen sein soll. Ich… Sie hat nie auch nur ein Wort über irgendeine Wurzel verloren.«
Laertes antwortete ihm. »Weil sie es nicht wusste. Sie ist das letzte Glied einer endlos langen Kette gewesen. Das Wissen darum ist in all den vielen Generationen verloren gegangen.«
Brik nickte. Zamorra hatte ihm von seinen Visionen erzählt. Von den Frauen der Bäuerin, der Mutter einer unehelichen Tochter, der jungen Lehrerin - und von dem Bild, dass Tina und Simon gezeigt hatte. Brik entsann sich der Geschichten, die Tina ihm aus der Vergangenheit ihrer Familie erzählt hatte. Die Lehrerin - ja, das war Tinas Urgroßmutter gewesen - und das Schulhaus war später zu dem Pfarrhaus geworden, in dem Brik und seine Frau gemeinsam gelebt hatten. Der Kreis schloss sich.
Zamorra schaltete sich ein. »Also konnte die Wurzel nur deshalb aktiv werden, weil die Hüterin - bewusst oder unbewusst - nicht mehr an ihrem Platz war. Als Briks Frau verschwand, begann der Schutz nach und nach zu vergehen. Das dürfte auch der Grund für den seltsam weichen Boden sein, der hier zum Abriss führen sollte.« Zamorra hielt inne und sah die anderen der Reihe nach an.
Es gab eine Frage, die ihm unter den Nägeln brannte. Sein Blick blieb an Sabeth hängen, die sich noch immer nicht ganz erholt hatte. Hinter ihrer Stirn schien es schwer zu arbeiten. Es mussten quälende Gedanken sein, die sie nicht losließen.
»Was geschieht, wenn nun erneut keine Hüterin bei der Wurzel sein wird?«, fragte Laertes. »Wie lange wird es dauern, bis sie erneut ausbricht?« Zamorra sah ihn verblüfft an. Der Vampir blickte ernst zurück. »Das wolltest du doch fragen, nicht wahr Zamorra?«
»Das alles wird nicht geschehen.« Sabeth sprach mit geschlossenen Augen und sehr leise, denn die Worte wollten im Grunde nicht über ihre Lippen. Doch es musste wohl sein. »Ich werde hier bleiben. Es ist meine Aufgabe. Es wird dauern, bis sich die Wurzel wieder ganz beruhigt hat. Zumindest so lange muss ich hier am Ort bleiben.« Sie versuchte ein Lächeln, als sie schließlich zu Brik sah. »Das Haus muss erhalten bleiben. Du musst hier wohnen bleiben - und mich als Gast akzeptieren. Was meinst du? Schaffen wir das?«
Brik hörte im Geiste bereits die getuschelten Geschichten der dorfeigenen Tratschtanten - eine wunderschöne Farbige zieht bei dem Engländer ein. Was für eine Geschichte!
Simon lächelte die junge Frau
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