0833 - Hexenliebe
Fremder, obwohl ich mich in meinem Wohnhaus befand. Irgend etwas war nicht mehr so, wie es eigentlich hätte sein sollen. Ich kam mit der neuen Lage nicht zurecht und würde mich auch kaum daran gewöhnen. Es blieb mir tatsächlich nur die genaue Untersuchung der Wohnung und die Hoffnung, daß die Spezialisten etwas übersehen hatten, doch daran wiederum konnte ich eigentlich auch nicht glauben. Dafür waren die Männer zu gut ausgebildet.
In der zehnten Etage stieg ich aus. Es war wie immer. Der düstere leicht muffige Flur, die Türen an den beiden Seiten, die in dunkleren Nischen lagen. Ich sah keinen Menschen, denn um diese Zeit war das Haus so gut wie leer. Nicht einmal eine Reinemachefrau lief mir über den Weg. An meiner Tür ging ich vorbei und schob den Ersatzschlüssel ins Schloß. Ich drehte ihn zweimal, dann drückte ich die Tür auf und betrat ein leeres, großes, eingerichtetes Grab.
So jedenfalls kam mir die Wohnung vor. Verlassen und kalt, als stünde sie zum Verkauf, weil der Mieter gestorben war.
Ich drückte die Tür wieder mit dem Ellbogen zu und bewegte mich durch den kleinen Flur.
Mit geschlossenen Augen hätte ich mich hier zurechtgefunden, und mein erster Weg führte mich in das Schlafzimmer, in dessen Bett Suko gelegen hatte, wie wir anhand der Spuren hatten sehen können. Die Spezialisten hatten nichts verändert. Noch immer war die Bettdecke zurückgeschlagen, und als ich mich bückte, um einen Blick unter das Bett zu werfen, da fiel mir der Zipfel des Schlafanzugs auf, der unter der Decke hervorlugte. Eine banale Erscheinung, etwas lächerlich Normales, und trotzdem stolperte ich über diese Entdeckung.
Ich wußte, daß Suko im Bett gelegen hatte, als er entführt worden war. Doch er war nicht die Person, die sich in voller Kleidung oder nackt ins Bett legte. Wenn der Schlafanzug aber zusammengerollt unter der Decke lag, gab es für mich nur eine Erklärung. Suko hatte sich mit seiner Kleidung ins Bett gelegt. Er hatte sich nicht ausgezogen, vielleicht die Schuhe, mehr jedoch nicht.
Und das mußte seinen Grund gehabt haben.
Ich machte den Arm lang und zog den Schlafanzug hervor. Die Jacke, die Hose, die ich in den Händen hielt, ohne daß sie mir eine Spur zeigten. Da war einfach nichts, was auf Sukos Verschwinden hingedeutet hätte. Nur fragte ich mich immer wieder, weshalb er sich in seiner Kleidung ins Bett gelegt hatte. Darauf gab es auch eine Antwort. Suko hatte möglicherweise gewußt oder zumindest geahnt, daß ihm jemand besuchen kann. Wenn er dies wußte, weshalb hatte er dann nicht mit mir gesprochen und mich geweckt?
Ich erinnerte mich daran, daß ich in der letzten Nacht wie ein Bewußtloser geschlafen hatte. Als wäre ich mit Schlaftabletten vollgepumpt worden. Möglicherweise hatte Suko es versucht, mich aber nicht wachbekommen.
Theorien, Hypothesen, die nichts brachten, und meine Gedanken bewegten sich in eine andere Richtung. Ich ging also davon aus, daß Suko Bescheid wußte, daß er möglicherweise seine Feinde sogar kannte, ohne sie dabei als Feinde eingestuft zu haben. Deshalb hatte er mir auch nichts davon gesagt - oder aber, er hatte, als wir uns früh an diesem bewußten Abend trennten, noch gar nicht gewußt, daß ihm ein Gegner über den Weg laufen würde.
Auch das konnte stimmen.
Suko war und blieb verschwunden!
Ich ließ Jacke und Hose wieder fallen. Dabei schaute ich zu, wie sie auf das Bett zurückfielen. Viel Bewegungsfreiheit hatte ich in dem Schlafzimmer nicht. Ich drehte trotzdem meine Runde, suchte verzweifelt nach einem Hinweis, wobei mir nur der ungewöhnliche Geruch auffiel, der noch zwischen den Wänden hing.
Es war kein eigentlicher Schlafgeruch, sondern etwas anderes. Er kam mir dumpf vor, er roch relativ scharf, als wäre in diesem Zimmer etwas verbrannt worden, aber das konnte es nicht sein, denn nirgendwo existierten Brandflecken.
Ich blieb vor dem Fenster stehen. Dort holte ich auch mein Kreuz hervor. Obwohl mir nach einem Lächeln nicht zumute war, quälte ich mir eines ab, weil ich daran dachte, daß mich Glenda Perkins jetzt hätte sehen können. Sie wäre zufrieden gewesen, denn ich versuchte, durch mein Kreuz eine Spur aufzunehmen.
Es »meldete« sich nicht.
Der Talisman blieb kalt, er war wie immer, und es huschte auch kein silbriges Funkeln über die Oberfläche.
Enttäuscht ließ ich das Kreuz sinken und verbarg es wieder unter dem dunkelblauen Wollhemd. Ich war vorgegangen, aber ins Leere getreten und konnte die Wohnung
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