0837 - Aibon-Blut
knarrender, als hätte er Mühe, jedes einzelne Wort hervorzupressen.
»Du kennst die Brosche?«
»Ja.«
»Du weißt auch, wem sie gehört?«
»Natürlich.«
»Dann dürfte dir alles klar sein. Ich will es trotzdem sagen. Ich habe die Frau geholt.«
Ich nickte und legte meine rechte Hand flach auf den Schreibtisch. »Wo befindet sich Glenda Perkins jetzt?«
Die Antwort erfolgte prompt. »Das werde ich dir dann sagen, wenn ich die drei Personen sehe.«
»Darius, Selia und Pamela.«
»Du hast die Namen gut behalten.«
»So etwas kann man nicht vergessen.«
»Dann sag mir, wo ich sie finden kann.«
Auch wenn er noch so oft fragte, ich wußte es nicht. Ihm das begreiflich zu machen, würde verdammt Schwerfallen.
Der Mann in Grau verlor immer mehr von seiner Geduld. »Ich an deiner Stelle würde reden, denn noch lebte deine Freundin. Das muß aber nicht so bleiben.«
»Ich weiß.«
Er tat nichts, stand an der Seite vor meinem Schreibtisch und sah beinahe so aus wie ein normaler Besucher. Das aber war er nicht, kein Besucher, kein Mensch - oder doch?
Ich war mir nicht im klaren darüber, woher diese Männer in Grau ursprünglich stammten. Okay, sie lebten in Aibon, aber wo kamen sie her? Wer hatte sie geboren? Woraus waren sie entstanden? In ihnen steckte die grüne Seele des Landes, eine Kraft, der ich nicht mehr zustimmen konnte, weil sie eben unter anderem durch den Druiden Guywano pervertiert worden war.
Ich brauchte einen Plan, und zwar einen sehr guten. Er mußte so perfekt sein, daß diese Gestalt es nicht merkte, wenn sie reingelegt wurde. Daß er Glenda hatte, stand fest. Die Brosche war der beste Beweis dafür. Wo aber konnte eine Gestalt wie dieser Mann in Grau sie hingeschafft haben? Da kam für mich nur ein Ort in Frage. Aibon selbst. Oder gab es ein besseres Versteck für Glenda Perkins als dieses geheimnisvolle Land?
»Woran denkst du?«
»An deine Geisel.«
»Hol die anderen!«
Ich nickte und schaute dabei nachdenklich in das glatte Gesicht. »Es ist nicht einfach, ich brauche Zeit, weil ich nicht weiß, wo sie sich aufhalten und ich gewissen Spuren nachgehen muß.«
»Das verstehe ich.«
»Sehr gut.«
»Wie lange?«
Ich hatte überhaupt keine Ahnung. Alles, was ich sagte, war praktisch ein Schuß Hoffnung und eine Verzögerung, um Zeit zu gewinnen. »Zwei Tage, denke ich.«
»Zu lange.«
»Warum? Es kommt doch darauf an, daß wir überhaupt etwas erreichen.«
»Einen Tag.«
»Und eine Nacht?«
»Auch das.«
»Schön. Wie und wann sehen wir uns wieder?«
»Ich werde dich zu finden wissen, Sinclair.«
Es war ein fast schon militärisch knapper Dialog zwischen uns beiden gewesen, und ich war froh, daß wir dabei auch zu einem Ergebnis gekommen waren.
Der Mann in Grau zog sich zurück. Er ging nicht bis zur Tür. Zuvor drehte er sich der Wand entgegen, wobei er gleichzeitig die Arme ausstreckte und mir die Hände entgegenhielt. Mit dem Daumen hielt er dabei seinen Stein eingeklemmt.
Das grüne Leuchten erfüllte mein Büro für einen Moment wie flackerndes Licht.
Ich schloß die Augen, weil ich mich geblendet fühlte. Einen Moment später war der Mann in Grau verschwunden. Dort, wo er zuvor gestanden hatte, befand sich nichts mehr. Nicht die geringste Spur wies darauf hin, daß ich Besuch bekommen hatte.
Allerdings besuchte mich Sir James. Ich identifizierte ihn an seinen Schritten, die im Vorzimmer aufklangen. Als er über die Schwelle trat, ahnte er, daß etwas geschehen war, denn er sprach mich auf meinen doch nachdenklichen Zustand an.
»Ich hatte Besuch, Sir James.«
»Wer?«
»Aibon…«
Er schwieg, und ich legte ihm mit wenigen Worten dar, was ich erlebt hatte. Sir James wollte wissen, welche Konsequenzen ich daraus ziehen würde, und er erinnerte mich auch daran, daß ich Glendas Leben keinesfalls in Gefahr bringen durfte.
»Das weiß ich, Sir. Ich rechne damit, daß man sie in Aibon versteckt hält. Und ich gehe weiterhin davon aus, daß der Einstieg, den ich vor gut einem Jahr in diesem leeren Hotel entdeckt habe, noch vorhanden ist. Ich werde also nach Germany fliegen. So bleibt bei unserem Plan alles beim alten.«
»Viel Glück.«
»Wie immer, nicht?«
»Es hat sich eben nicht geändert, John.«
***
Die Frau auf dem Schimmel war so außergewöhnlich schön und interessant, daß dieser Anblick dem guten Harry Stahl zunächst mal den Atem verschlug. Es fiel ihm auch schwer, sie zu beschreiben.
Sie sah zwar aus wie eine normale Frau, sie war trotzdem
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