0869 - Leichengift
Reste alter Häuser schon lange herum, denn hohes Unkraut hatte sich seinen Platz zwischen all dem grauen Gestein geschaffen.
»Sieht nicht gut aus«, sagte mein Freund.
Er hatte recht. Ob wir wollten oder nicht, wir hatten diesmal verloren. »Zurück?« fragte ich.
Suko hob die Schultern. »Werden wir wohl müssen, und wir werden auch den anderen erklären, daß wir keinen Erfolg gehabt haben. Verdammt noch mal, das paßt mir gar nicht.«
Er hatte mir aus der Seele gesprochen, aber da war noch etwas, an dem ich diesmal nicht vorbeikam.
Dieser Geruch…
Er war es!
Dann hörten wir die Schreie. Das Gelände war so groß, daß im ersten Moment nicht herauszufinden war, aus welcher Richtung sie kamen. Jedenfalls von vorn, und als wir dorthin schauten, da sahen wir die hohen Halme des Unkrauts, die sich nicht durch den Wind bewegten, sondern deshalb nach vorn gedrückt wurden, weil zwei Gestalten auf der Flucht waren. Sie gerieten in unser Blickfeld, und wir beide dachten zuerst, daß es nicht wahr sein konnte.
Zwei Punks mit grünen Haaren, die wie Grasbüschel auf ihren ansonsten kahlrasierten Schädeln wuchsen, rannten fluchtartig auf uns zu. Sie bewegten dabei nicht nur die Beine, sondern schleuderten auch die Arme vor, als suchten sie irgendwo Halt.
Schreie und keuchende Laute wehten aus ihren aufgerissenen Mündern, und der Kleinere der beiden blutete am Hals. Sie befanden sich in einer derartigen Panik, daß sie an uns vorbeigelaufen wären, ohne uns richtig zu sehen, aber Suko war schneller. Er griff zu und zog den verletzten Punk zu sich heran.
»Was ist geschehen?«
Der Knabe gab keine Antwort. Sein Freund war einige Schritte entfernt stehengeblieben und zitterte.
Zum Glück war er in der Lage, einige Worte zu reden, und er berichtete von einem schrecklichen Monstrum, das ihnen begegnet war.
»Wo?«
»In den Trümmern.« Dabei deutete er in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
Wir starteten schon. Wenn sich überhaupt eine Chance bot, das Monstrum zu stellen, dann jetzt. Es mußte vernichtet werden. Da brauchte ich nur an den toten Polizisten zu denken…
***
Die Jacke des Punks war einfach zu glatt. Sie rutschte Jim Little zwischen den langen Krallenfingern hindurch, und so konnte sich der junge Mann befreien.
Little fuhr herum.
Der Kleine stand in seiner Reichweite. Zwar hörte er die Warnung seines Freundes, doch er reagierte nicht. Die Krallenhand schob auf seinen Hals zu. Starke Finger wollten den anderen erwürgen, aber so richtig erwischten sie das Ziel nicht. Die scharfen Nägel rissen die Haut auf. Blut sprudelte aus keinen Wunden, verbunden mit einem scharfen Schmerz, der den Punk aus seiner Lethargie hervorriß. Er wirbelte auf der Stelle herum und rannte wie nie in seinem Leben. Auch sein Kumpan lief weg, während Little stehenblieb, auf seine blutbeschmierte Hand schaute und dabei überlegte, was er tun sollte.
Nachlaufen oder nicht?
Es hatte keinen Sinn, die anderen waren zu schnell, er würde sich neue Opfer suchen müssen - oder?
Da erwischte es ihn wieder.
Es war wie ein Peitschenschlag, der nicht seinen Körper, sondern seinen Instinkt erwischte.
Man war ihm auf der Spur!
Er ahnte, daß seine Jäger, die er nicht kannte, etwas Besonderes sein mußten. Sie besaßen Waffen, die für ihn gefährlich werden konnten. Er hatte sie nie gesehen, aber da lauerte etwas im Hintergrund, das ihm schon seit längerem Furcht einjagte.
Seit der letzten Nacht…
Er konnte es nicht fassen oder begreifen. Sein Instinkt warnte ihn. Irgend etwas war in der vergangenen Nacht geschehen, an dem er zwar nicht unmittelbar beteiligt gewesen war, das aber irgendwo mit ihm zu tun hatte.
Entfernt nur, doch gefährlich, wenn nicht tödlich.
Er lief weg.
Die Bauruine befand sich schon ziemlich lange an dieser Stelle. Deshalb hatte die Natur auch ein grünes Kleid dazwischen und darüber wachsen lassen können.
Alte Häuser waren abgerissen worden, neue sollten gebaut werden, das aber hatte sich verzögert.
Jetzt gab es nur eins.
Weg!
Jim Little lief über die Schuttberge, und er kam sich plötzlich zum erstenmal einsam und verloren vor. Schutzlos von Kräften umgeben, die sich an ihn herangeschlichen hatten und seine Vernichtung wollten. Wo waren diejenigen, die ihm helfen konnten?
Während er lief, umklammerte er die Kette. Sie war für ihn die einzige Hoffnung. Nur durch sie war er zu dem geworden, wonach er sich immer gesehnt hatte. Sie hatte ihm Macht gegeben, sie hielt ihn am
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