0895 - Schattenkiller
Sportler.«
»Beim drittenmal hast du Routine.«
Er verzog den Mund und winkte ab. »Ich hoffe, daß es kein drittes Mal geben wird.«
»Wahrscheinlich nicht.«
Wir hatten uns beide gedreht und die Blicke auf das Kloster gerichtet. An dessen Rückseite hatte sich nichts getan. Keine Bewegung, weder vor noch hinter den Fensterluken. Das Gelände war flach, es war kahl und nur die kleine, den Garten umgebende Mauer bildete so etwas wie eine Abwechslung.
Kein Kreuz war zu sehen. Marco hatte recht gehabt. Das war auch kein Kloster. Ich rechnete immer stärker damit, daß wir so etwas wie einen Hort des Satans entdeckt hatten, und bei diesem Gedanken wurde mir nicht wohl. Der steife Wind umwehte uns. Dicke Wolkenberge am Himmel kamen uns vor, als wollten sie uns segnen. Die Kälte hatte zugenommen. Es roch wieder intensiv nach Schnee. Der letzte war bereits weggetaut.
Die Entfernung zwischen Zaun und Kloster war nicht groß. Wir würden sie schnell überwunden haben. Unsere Füße traten das rauhe Wintergras nach unten. Manche Klöster hatten ihre eigenen Friedhöfe, hier war davon nichts zu sehen.
Eine leere, tote Landschaft. In dieser Umgebung konnte sich ein normaler Mensch einfach nicht wohl fühlen, das zumindest war meine Ansicht. Aber wer war schon normal, der sich in diesem düsteren, gar nicht mal hohen Bau versteckte?
Das Dach bildete zwei graue Flächen, die an verschiedenen Seiten schräg nach unten liefen. Auch die Scheiben in den lukenartigen Fenstern schimmerten nicht.
Vor unseren Lippen kondensierte der Atem. Ich hätte mir jetzt ein dichtes Schneegestöber gewünscht, und als ich daran dachte, wurde ich von den ersten Flocken berührt, die noch spärlich aus den Wolken rieselten.
Marco schaute in die Höhe. »Es geht los!«
»Wenn er dichter fällt, kann das nur von Vorteil für uns sein.«
»Mal sehen.«
Wenig später hatten wir die aus unregelmäßig gesetzten Steinen bestehende Gartenmauer erreicht, und der alte Bau lag beinahe zum Greifen nahe vor uns.
Wir duckten uns nicht hinter der Mauer, sondern schauten darüber hinweg, und ich hatte bereits das Ziel anvisiert. Es war eine graue Tür an der Hinterfront und fast in dem rechten Winkel, wo der Anbau vom Haupthaus wegführte.
»Wenn wir dort hineinkommen, haben wir Glück gehabt.«
Marco wischte nassen Schnee aus seinen Haaren. »Das wäre wirklich ein Klopfer.«
Die Flocken fielen dichter. Innerhalb weniger Minuten hatte sich die Umgebung verändert. Sie war von einem tanzenden, grauen Teppich bedeckt worden. Er lag überall, nichts konnte ihm entgehen.
Ich bemerkte bei Marco eine gewisse Unsicherheit. »Hast du Probleme?«
»Nicht direkt, aber ich muß immer wieder an den Schatten denken, der auch in mir war. Jetzt sind wir am Kloster, vielleicht in seiner Nähe. Da hat er freie Bahn.«
»Es gibt mich ja auch noch«, erwiderte ich lächelnd.
»Das beruhigt mich.«
Die Tür war nicht mehr weit entfernt. Beide atmeten wir auf, als wir sie erreicht hatten. Jetzt standen wir im spitzen und zugleich toten Winkel. Wer uns jetzt noch entdecken wollte, hätte sich schon weit aus dem Fenster lehnen müssen.
Der Garten lag hinter uns. Wir hatten die schmalen Wege benutzt, wo unsere Fußspuren allmählich zuschneiten. Ich kümmerte mich um das Schloß, während Marco zurückschaute und mir so mit seiner Kontrolle gewissermaßen den Rücken deckte.
Ich atmete auf, als ich sah, daß es ein völlig normales Türschloß war, zu dem auch eine normale dunkle Metallklinke gehörte. Die Handschuhe hatte ich abgestreift, als ich die Klinke nach unten drückte - und vor Überraschung einen winzigen Schritt zurücktrat, denn ich wollte kaum glauben, daß die Hintertür nicht verschlossen war.
Auch Marco staunte. »Die ist ja offen«, flüsterte er.
»Klar.«
»Das ist ein Ding. Warum denn?«
»Die fühlen sich hier wohl sehr sicher, sage ich mal. Uns kann es nur recht sein.«
»Das meine ich auch.«
Ich bedeutete ihm, zurückzubleiben, was er nicht ungern tat. Dann drückte ich die Tür behutsam auf und schaute in die graue Dämmerung des Klosterganges. Dabei fiel mir die Stille auf. Ich hörte weder Stimmen noch Schrittgeräusche. Die bleierne Ruhe lastete zwischen den Mauern, als wäre das Haus ein großes Grab.
»Kannst kommen, Marco!«
Der junge Mann folgte mir auf dem Fuß. Ich ließ ihn herein und drückte die Tür so leise wie möglich zu. Wir standen jetzt im Innern, schauten uns an, und Marco nickte. »Das hätte ich ja nie
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