0976 - Die Leichen der schönen Charlotte
auch die Brüste nicht aus und war mit sich zufrieden.
Dann ging sie aus dem Bad, in dem es neben der Dusche noch eine Sitzbadewanne gab.
Sie schloß die Tür hinter sich, schaute nachdenklich in den großen Raum hinein, wobei sich die Haut auf ihrer Stirn leicht kräuselte.
Dann hatte sie einen Entschluß gefaßt. Auf dem Boden lag ein bunter Teppich von einer bestimmten Größe. Er ließ sich leicht anheben und aufrollen.
Sie tat es und schaute dabei auf die Luke, die sich nahtlos in die Bohlen des Fußbodens einpaßte. Es war ein Deckel, mit einem Griff in der Mitte. Er lag jetzt so auf der Seite, daß er so gut wie keine Erhebung bildete und deshalb auch keine Stolperfalle war.
Sie umklammerte ihn mit der rechten Hand. Ohne große Mühe ließ sich die Luke in die Höhe ziehen. Eine viereckige, dunkle Öffnung entstand, und es war auch der Beginn einer Leiter zu sehen.
Charlotte legte den Deckel zur Seite. Erst dann löschte sie das Licht. Sie wußte genau, wo sie ihre Taschenlampe hingelegt hatte, nahm sie wieder an sich, schloß die Tür noch von innen ab und ging wieder auf die Öffnung zu.
Müde war sie nicht. Den fehlenden Schlaf konnte sie auch tagsüber nachholen.
Sie kannte den Weg und brauchte deshalb nicht einmal besonders vorsichtig zu sein. Mit zielsicheren Bewegungen stieg sie in die Tiefe des Kellers, gestützt von den Stufen der Leiter.
Es sah so aus, als wäre ein Engel dabei, in die Zentrale der Hölle zu klettern…
***
Ich hatte geklingelt. Zweimal sogar, aber keine Reaktion erfahren. Dann versuchte ich es ein drittes Mal und hörte eine samtweiche Stimme, die mir andeutete, daß ich mich noch einen Moment gedulden sollte. Dann wäre die Überraschung schöner.
Für Doreen Sanders vielleicht, aber nicht für mich.
Ich wartete. Der Flur sah aus wie der zwei Etagen tiefer. Hier war alles gleich und fast klinisch, was mir überhaupt nicht entgegenkam.
Daß ich Musik aus einer Wohnung hörte, empfand ich schon als angenehm, auch wenn mich der harte Techno-Rhythmus nicht eben anmachte.
Das wollte Doreen Sanders, als sie die Tür öffnete. Sie tat es nicht schnell, nicht langsam, sondern mit einem genau berechnenden Schwung, der dann hineingleiten sollte in die Überraschung des Gastes, wenn er Doreen zum erstenmal zu Gesicht bekam.
Ich schaute sie an.
Sie schaute mich an, und sie lächelte.
Nun ja, es war schon der Unterschied zwischen ihr und Charlotte zu erkennen; obwohl ich letztere nur von der Beschreibung des Hausmeisters her kannte.
Doreen Sanders war dunkelhaarig, schwarz sogar. Und sie hatte diese wuschelige Pracht mit einem glänzenden Haarlack besprüht, damit alles hielt. Die langen Beine endeten in superkurzen Höschen.
Nabelfreies Oberteil, hochhackige Schuhe, knappes, aber interessantes Oberteil.
»Hi.« Sie lächelte. Dabei entstanden einige Falten in ihrem Gesicht, die selbst durch die Schminke hindurchschimmerten, denn Doreen war nicht mehr die Jüngste und vom Leben gezeichnet. »Willst du nicht hereinkommen, schöner Mann?«
Auf den schönen Mann bildete ich mir nichts ein, das sagte sie bestimmt auch zu einem alten »Gorilla«, wenn er nur genug Scheine in seinem Fell versteckt hatte.
»Sehr gern.«
»Dann bitte«, sang sie mir entgegen.
Ich trat über die Schwelle, und Doreen schloß die Tür. Fast hastig. Es kam mir vor, als hätte sich die Klappe einer Falle geschlossen, denn nun würde sie mich nicht mehr loslassen.
»Du hast aber nicht angerufen?« fragte sie.
»Nein, das habe ich nicht.«
»Darf ich dann fragen«, sie kam näher auf mich zu, »woher du weißt, wo ich wohne.«
»Eine Kollegin von dir gab mir den Tip.«
»Ah, wie nett. Welche denn?«
»Charlotte.«
Ich hatte sie bei der Antwort genau beobachtet, aber ihr Blick war harmlos geblieben. Nur schien ihr meiner nicht gefallen zu haben, denn plötzlich trat sie einen großen Schritt zurück und wäre fast gegen die himmelblau tapezierte Wand geprallt. »He«, sagte sie, »du bist kein normaler Gast.«
»Wieso nicht?«
Doreen verengte die Augen, um die Antwort durch diese Geste bereits anzudeuten. »Ich sehe es deinem Blick an. So schaut kein normaler Kunde. So kalt, so sicher. Die meisten sehen sich um und sind dabei verunsichert.« Sie lachte hart auf. »Ich habe meine Erfahrungen sammeln können, das kannst du mir glauben.«
»Möglich«, gab ich zu, »aber…«
Sie ließ mich nicht ausreden und streckte mir den Zeigefinger entgegen. »Du bist ein Bulle!«
Ich
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