0987 - Das Seelenloch
oder zumindest zu lindern.«
»Das ist zwar einen Versuch wert, aber ich glaube nicht, daß der Fluch genommen werden kann.«
Jane stimmte mir durch ihr Nicken zu.
»Aber was sollen wir denn dann machen?« flüsterte Frau Huber, die gegen einen Schauer ankämpfte, der sie erwischt hatte.
»Auf uns vertrauen!«
Sie starrte mich an. »Sie? Wirklich Sie?«
»Ja.«
»Wollen Sie hinein?« Karl Huber konnte es kaum glauben. »Nein, das kann nicht sein.«
»Warum denn nicht?«
»Sie machen sich nur unglücklich, mein Herr. Und Ihre Begleiterin gleich mit. Was immer man ihnen auch gesagt haben mag, von der Christel aus dem Dorf, es stimmt alles nicht. Hier oben ist es anders. Hier herrschen andere Gesetze.«
»Die mit Ihrem Vater zusammenhängen.«
»Ja, auch das.«
»Ist er tot - oder nicht?«
»Er ist tot.«
»Aber nicht mehr da, wie ich hörte.«
Die Hubers schwiegen. Meine Fragen und Bemerkungen hatten sie völlig verstört. Jane stieß mich an und beschwor mich, nichts mehr zu sagen, um die beiden nicht noch mehr zu verwirren. Ich stimmte zu und überließ ihr die Gesprächsführung.
Als die Hubers durch Jane erfuhren, daß wir ihr Haus betreten wollten, da sahen sie aus wie Menschen, die den Schock ihres Lebens erlitten hatten. Sie bekamen es nicht in die Reihe, daß wir dies tatsächlich vorhatten. Sie wollten uns auch davon abhalten, aber locker ließen wir nicht, und wir erklärten ihnen auch, daß wir uns schon zu wehren wußten.
»Dann bitte - in Gottes Namen«, flüsterte Gertrud Huber. »Aber wir bleiben hier draußen.«
»Das sollen sie auch.«
»Es wird dunkel«, flüsterte Gertrud und faßte ihren Mann an. »Wir sollten jetzt in die Kapelle gehen.«
Er überlegte nicht lange und stimmte durch sein Nicken zu. Wir schauten zu, wie sich das Ehepaar erhob. Gertrud drehte sich noch einmal um und flüsterte: »Wir werden auch für Sie beten.«
Ich nickte ihr zu. »Tun Sie das.«
»Na dann…«
Beide schlichen an uns vorbei. Ihr Haus blickten sie nicht an. Es war ihnen zu unheimlich geworden.
Wir warteten, bis sich die schmale Tür der Kapelle hinter ihnen geschlossen hatte. »Es ist wohl besser so für sie«, sagte Jane.
»Darauf kannst du wetten.«
Sie atmete tief ein. »Okay, John, dann wollen wir mal.« Jane hatte es nicht so forsch gesagt, wie sie sonst sprach. Es war ihr schon anzusehen, wie wenig locker oder cool sie sich fühlte, denn sie hatte mit den Erinnerungen ihres ersten Besuchs hier zu kämpfen. Auf der Fahrt hierher hatte mir Jane das Innere des Hauses beschrieben, so daß ich mich nicht erst groß orientieren mußte.
Ich öffnete die Haustür. Mein Kreuz lag griffbereit in der Jackentasche. Auch die kleine Lampe mußte ich nicht erst suchen. Beides war griffbereit, ebenso wie die Beretta.
Etwas strömte mir aus dem Haus entgegen, das anders war als in den normalen Häusern. Ich überlegte, woran es liegen könnte. Es war schon eine gewisse Kühle, aber ich empfand sie als fremd.
Der Begriff rußig fiel mir ein. Darüber lachte ich nicht einmal, denn sie kam mir tatsächlich etwas klebrig vor.
Es gab nicht viele Fenster, und die wenigen waren auch nicht besonders groß. Das helle Licht des Tages hatte sich ebenfalls zurückgezogen. Unten im Tal war es schon dunkler. Hier oben jedoch war es noch relativ hell. In den Gebäuden natürlich noch etwas dunkler.
Jane war dicht hinter mir geblieben. Ich spürte ihre Hand an meinem Rücken. »Wir müssen uns rechts halten. Hinein in den großen Raum. Da ist dann auch die Tür, die zur Leichenkammer führt.«
»Kein Problem«, entgegnete ich.
Ich brauchte keine Türe aufzustoßen, denn sie stand offen. Und so betrat ich als erster den Raum, sah den Kachelofen mit der Sitzbank, aber auch den Tisch unter dem Kreuz. Und plötzlich ging ich schneller, denn mir war etwas aufgefallen.
Es hing mit dem Kreuz zusammen. Man hatte es zwischen Decke und Wand befestigt, ungefähr dort, wo sich beide trafen. Normal sah es nicht mehr aus. Das Holz und der Körper waren geschwärzt. Sie wirkten beide wie verbrannt.
»Hast du das gesehen?« flüsterte ich Jane zu.
»Nein.« Sie schauderte leicht. »Es zeigt uns aber, daß wir die Kraft des Seelenlochs nicht unterschätzen dürfen.«
»Darauf kannst du dich verlassen.« Ich drehte mich nach links, weil sich in dieser Richtung die Tür zur Leichenkammer befand. Der Blutgeruch war mir schon aufgefallen. Er hing klebrig in meiner Nase. Selbst bei diesem Licht waren die dunklen Flecken auf den
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