099 - Die Lady mit den toten Augen
Ich mach’ mir Sorgen um dich“, ertönte es hinter der Tür. Und die
alte Frau rüttelte an der Klinke und klopfte mit der flachen Hand mehrere Male
gegen die Tür.
„Du brauchst
dir keine Sorgen zu machen, es ist alles in Ordnung, Mutter.“
„Was hast du
da ins Haus gebracht, Roy? Ich hab’s deutlich gesehen. Etwas hattest du in
deine Jacke eingewickelt.
Du -hast den
Stein gefunden, Roy, nicht wahr?“
Die Stimme
der alten Frau zitterte. Sie hatte Angst. „Schaff’ ihn wieder raus, Roy, bitte!
Ich habe kein gutes Gefühl und ...“
„Unsinn!“
stieß er wütend hervor.
Er stand noch
immer vor dem Klumpen und wandte nicht den Blick. In dem pulsierenden Leuchten
sah er die Bilder, noch immer war der Teich da, die Blüte, das bildschöne
Mädchen, das jetzt leichtfüßig auf den Uferrand sprang.
Ihre Schenkel
waren lang und fest. Ein jugendlicher Körper, der ihn reizte und lockte.
Verlockend war auch ihr Ruf.
„Komm! Bleib
bei mir! Wenn du jetzt gehst - verlierst du mich!“ Ganz fern und leise war die
Stimme in ihm.
„Roy! Wie
sprichst du mit mir!“ Ganz nah war die Stimme der Mutter hinter ihm. „So hast
du noch nie mit mir gesprochen, Roy!“
Das wußte er.
Nie war ein lautes oder böses Wort über seine Lippen gekommen. Nie hatte er die
alte Frau nachlässig behandelt. Aber jetzt war es ihm egal, und es wurde ihm
nicht mal bewußt.
„Ich werde
nicht aufmachen, Mutter. Leg dich ins Bett!“
„Nein, Roy!
Ich will sehen, was du da ins Haus geschafft hast. Etwas stimmt doch nicht mit
dir. Du warst eine ganze Nacht und einen ganzen Tag lang weg, du kommst zurück
und hältst es nicht mal für notwendig, darüber eine Erklärung abzugeben. Was
ist los, Roy? Was hat dich so verändert?“
„Nichts,
Mutter.“
Er atmete
schnell. Die Stimme ging ihm auf die Nerven.
„Schaff’ das
Teufelszeug aus dem Haus, Roy!“ Sie bohrte ständig weiter.
Er schluckte.
„Es ist
nichts, nichts, nichts“, schrie er unbeherrscht. „Ich untersuche den Stein, das
ist alles. Es ist eilig, deshalb arbeite ich die Nacht durch. Ich werde dir
morgen - alles erklären und erzählen, Mutter!“
„Das
Teufelszeug aus dem Weltraum, Roy. Merkst du es denn nicht? Es ist doch etwas
da, das uns bedroht, fühlst du denn wirklich nichts, bist du denn blind, daß du
nichts sehen kannst?“
Da ruckte er
hoch. Eine Flut des Hasses stieg in ihm auf.
Er warf den
Kopf herum.
Im gleichen
Augenblick zuckte er zusammen. Rundum war alles dunkel und tiefschwarz.
Er richtete sein Augen wieder dem Leuchten entgegen. Er atmet auf. Da
war noch das Licht und existierten die verlockenden, berauschenden Bilder und
die Gefühle, die ihn aus einer fernen Welt erreichten.
Dann hob er
wieder den Kopf. Vor ihm war alles dunkel. Er nahm die Umgebung seines Zimmers
nicht mehr wahr...
Wer jetzt
seine Augen hätte sehen können, würde begreifen, warum dies so war.
Evans’ Augen
hatten sich verändert, und es schien, als ob die letzten Worte seiner Mutter
eine schreckliche Bestätigung finden würden.
Er war blind,
er sah nichts mehr, mit diesen Augen konnte er einfach nichts mehr sehen!
Seine
Augäpfel hatten sich blauschwarz verfärbt, seine Iris war faltig und
zerknittert wie ein Stück altes, brüchiges Leder.
Es waren
schreckliche und erschreckende Augen, die in seinen Höhlen saßen. Sie sahen
aus, als ob jemand den konzentrierten Strahl eines Schweißbrenners in die
Pupillen gehalten hätte.
Die Augen
waren schwarz, verbrannt und verkohlt .. .
●
Larry Brent
stand in dem abgedunkelten Zimmer, das Lord Billerbroke ihm für die Nacht zur Verfügung gestellt hatte. X-RAY-3 blickte hinunter in den
Innenhof. Zwei Hunde liefen herum wie freigelassene Raubtiere. Die Tiere
fühlten sich offensichtlich in ihrer Freiheit wohl. Der dritte Schäferhund lag
in der geräumigen Hütte, welche direkt an der Schloßmauer stand. Larry sah nur
den Kopf des Tieres, der auf den Vorderpfoten ruhte.
Es war still
im Schloß.
Offensichtlich
ging man sehr früh hier schlafen.
Es war jetzt
halb zehn, und alle Lichter waren erloschen.
X-RAY-3 blieb
hinter dem geschlossenen Fenster stehen und ließ seine Gedanken Revue
passieren.
In allen
Einzelheiten konnte er sich an das Gespräch erinnern, das er mit dem Lord
geführt hatte. Lange Zeit waren sie unter sich gewesen und weder von Burke noch
von der Lady gestört worden.
Larry hatte
sich nach Lady Gaynor erkundigt.
Er erfuhr,
daß die junge Frau sehr krank war und das Bett hüten
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